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8.8.1945: Nürnberger Prozess beschlossen |
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Bereits im Herbst 1943, zwei Jahre vor Beginn der Nürnberger Prozesse, beginnen die alliierten Führer über die Nachkriegsbehandlung ihrer Achsengegner nachzudenken. Zu jener Zeit beschränkt sich das Nachdenken noch auf mögliche Gerichtsverfahren gegen die oberste Führungsschicht der Achsenmächte.
Diese Männer, gegen die sich der Zorn am meisten richtet, sollen den Tod erleiden. Die einzige noch unentschiedene Frage ist die Methode der Durchführung: Schnellexekution oder Hinrichtung im Anschluss an ein Gerichtsverfahren.
Nach der Kapitulation im Mai 1945 stellt sich die immer wiederkehrende Frage für die Alliierten Mächte: Soll den Verantwortlichen aus dem engsten Kreis um Adolf Hitler ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht werden oder soll man die Urteile in einem Schnellverfahren aussprechen. Auch die Anklagepunkte werden heftig von den Vertretern der vier Siegermächte diskutiert.
Bei ihren Bemühungen, das Problem zu lösen, stellen die angloamerikanischen Vertreter eine Reihe von Handlungen auf, die als verbrecherisch angesehen werden können, sofern sie Bestandteil oder Ergebnis der Verschwörung sind, eine Aggression oder ein Kriegsverbrechen zu begehen. Kurzum, es handelt sich um eine selbstständige Kategorie von Straftaten; sie muss im Zusammenhang stehen entweder mit der Vorbereitung eines illegalen Krieges oder mit der illegalen Führung eines Krieges.
Nach 15 Entwürfen wird das Internationalen Militärtribunal am 8. August 1945 mit der Befugnis ausgestattet, die Angeklagten abzuurteilen. Das Statut enthält drei Anklagepunkte:
Zitat: "Erstens: Verbrechen gegen den Frieden, also die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges. Zweitens: Kriegsverbrechen, also Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung und andere einschränkende Kriegsverbrechen. Drittens: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, womit unmenschliche Handlungen aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen gemeint sind, also vor allem die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden."
Innerhalb des Anklagepunktes "Verbrechen gegen den Frieden" versteckt sich ein zusätzliches Delikt: die Beteiligung an einem gemeinsamen Plan oder an einer Verschwörung zur Ausführung einer der vorgenannten Handlungen. Das heißt, an der Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges.
Dieser gesonderte Vorwurf der Verschwörung bezieht sich im ersten US-amerikanischen Entwurf des Statuts noch auf alle Anklagepunkte, also auch auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das hätte auch die Maßnahmen gegen die Juden erfasst, die dann schrittweise in die Massenvernichtung führten.
Dieser Entwurf wurde dann aber von britischen Rechtsexperten so umgearbeitet, dass sich der Verschwörungstatbestand nur noch auf den Anklagepunkte Angriffskrieg bezieht. Damit ist, ohne Absicht ein wichtiges Verfolgungsziel entfallen. Der neue, eingeschränkte Tatbestand "Verschwörung zum Zwecke des Angriffskrieges wird in die Nürnberger Anklageschrift aufgenommen und dort sogar zum selbstständigen Anklagepunkt eins aufgewertet.
Mit diesem Verschwörungstatbestand brocken sich die Ankläger ein heikles juristisches Problem ein. Am besten beschreibt das Professor Herbert Wexler, der wohl fähigste Rechtsberater des US-Richters Francis Biddle:
"Nach dem Statut gilt die Verschwörung nur als krimineller Tatbestand, wenn sie in einem zeitlich nicht allzu großen Abstand von der Entscheidung und der Aktion stattgefunden hat. Man kann also nicht jeden, der ein politisches Programm unterstützt, als einen kriminellen Verschwörer bezeichnen, nur weil in historischen Perspektive dieses Programm wie ein einheitlicher, stimmiger Plan aussieht, der zu verbrecherischen Resultaten führt."
Hätten die Ankläger das Problem erkannt, wären sie mit Anklagepunkt eins vorsichtiger umgegangen. Doch der Chefankläger Robert Jackson und seine Kollegen wollen allen 22 Angeklagten im Nürnberger Prozess nachweisen, dass sie an den gemeinsamen Plan teilgenommen haben.
In dem Prozess, der am 1. Oktober 1946 endet, folgen die Richter dieser Auffassung nur in acht Fällen. Vierzehn Angeklagte werden nach Punkt eins freigesprochen. Diese juristische Abfuhr für die Verschwörungsthese findet in Nürnberg jedoch kaum Beachtung, weil elf der 14 der im Punkt eins Freigesprochenen dennoch verurteilt werden, etwa wegen Kriegsverbrechen.
Autorin: Doris Bulau |
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