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2.12.1936: Thomas Mann ausgebürgert
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"Der einfache Gedanke daran, wer die Menschen sind, denen die erbärmlich äußerliche Zufallsmacht gegeben ist, mir mein Deutschtum abzusprechen, reicht hin, diesen Akt in seiner ganzen Lächerlichkeit erscheinen zu lassen." So reagierte Thomas Mann auf seine Ausbürgerung durch das nationalsozialistische Regime am 2. Dezember 1936. Im "Völkischen Beobachter" veröffentlichten die Nazis sogenannte Ausbürgerungslisten. Die Namen von Thomas Mann, seiner Frau und seinen jüngeren Kindern standen auf der Liste Nummer Sieben - die älteren Kinder, Erika und Klaus, waren schon früher ausgebürgert worden. Für Thomas Mann kam dieser Schritt nicht unerwartet.

"Gewiss, ich habe die Wut dieser Machthaber herausgefordert, nicht erst in den letzten Jahren, durch mein Außenbleiben, die ununterdrückbaren Kundgebungen meines Abscheus, lange vorher schon hab ich es getan und musste es tun, weil ich früher als das heute verzweifelte deutsche Bürgertum sah, wer und was da heraufkam." Thomas Mann wusste, wovon er sprach. Er hatte selber lange Zeit nationalkonservativen, anti-parlamentarischen Ideen angehangen, war erst während der Weimarer Republik ins demokratische Lager gewechselt. 1930 hielt er in Berlin einen Vortrag "Appell an die deutsche Vernunft", in dem er das Bürgertum und die sozialistischen Kräfte ermahnte, zusammen den faschistischen Fanatismus abzuwehren. Seine Rede ging in organisierten Tumulten der SA unter, und Mann musste den Saal durch den Hinterausgang verlassen.

Der Regierungsantritt Hitlers 1933 überraschte Thomas Mann auf einer Vortragsreise durch Holland, Belgien und Frankreich. Er entschloss sich, zunächst nicht nach Deutschland zurückzukehren - sein Exil sollte ein dauerndes werden.

"Ich hab es mir nicht träumen lassen, es ist mir nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich meine höheren Tage als Emigrant, zu Hause enteignet und verfemt in tiefnotwendigem politischen Protest verbringen würde. Ich bin weit eher zum Repräsentanten geboren als zum Märtyrer."

Noch lange versuchte Thomas Mann, durch Schweigen den endgültigen Bruch zu verhindern, den Kontakt mit seinem deutschen Publikum nicht abreißen zu lassen. Erst 1936 bezog er klar Position gegen die deutsche Regierung. Den Anstoß gab ein Artikel in der "Neuen Zürcher Zeitung", der Thomas Mann von antisemitischer Seite her zu vereinnahmen suchte. Erst jetzt brach Mann sein Schweigen endgültig: "Ein deutscher Schriftsteller, an Verantwortung gewöhnt durch die Sprache und sollte schweigen, ganz schweigen zu all dem unsühnbar Schlechtem, was in meinem Lande an Körpern, Seelen und Geistern, an Recht und Wahrheit, an Menschen und an dem Menschen täglich begangen wurde und wird? Es war nicht möglich. Und so kam, gegen das Programm die Äußerungen, die unvermeidlich stellungnehmenden Gesten zustande, die nun den absurden und kläglichen Akt meiner nationalen Exkommunikation herbeigeführt haben."

Nach seiner Ausbürgerung am 2. Dezember 1936 verblieb Thomas Mann zunächst in der Schweiz, später emigrierte er in die USA. Das "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" erteilte im Januar 1937 die Weisung: "Thomas Mann soll ausgelöscht werden aus dem Gedächtnis aller Deutschen, da er nicht würdig ist, den Namen Deutscher zu tragen."

Thomas Mann: "Das Reich, Deutschland, soll ich beschimpft haben, indem ich mich gegen sie bekannte? Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit sich mit Deutschland zu verwechseln. Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."

Autorin: Rachel Gessat
   
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