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25.11.1973: Ölkrise erzwingt Fahrverbot
Herbst 1973. Krieg im Nahen Osten. Die OPEC-Staaten, allen voran die arabischen Länder, haben beschlossen, Öl zu verteuern und weniger zu fördern. Israel-freundliche Länder wurden von der OPEC boykottiert.

"Situation und Entwicklung der Energieversorgung sind das beherrschende Thema dieser Tage und Wochen. Nicht nur bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft und darüber hinaus in nahezu allen Industriestaaten der Welt. Die Lage ist schwierig, und sie kann sich noch verschärfen. Wir sehen jedoch nicht tatenlos zu, sondern wir stellen uns den Schwierigkeiten und sind entschlossen, sie zu meistern, auch wenn wir wissen, dass die Probleme der Rohölverknappung von keinem Verbraucherland allein gelöst oder gar beseitigt werden können. Die Fragen, die jetzt zu beantworten sind, lauten: Wie wird es in der Erdölversorgung und in der Erdölpolitik, in der Energiepolitik weitergehen? Wie können sich die augenblicklichen Schwierigkeiten auf die Arbeitsplätze und auf die Preise auswirken? Und was tut die Bundesregierung, was kann sie in dieser Situation tun?" so der damalige Bundeskanzler Willy Brandt im Deutschen Bundestag.

Was kann die Bundesregierung in einer solchen Situation tun? Eines war klar: Es musste Energie eingespart werden. Zu den von der Regierung beschlossenen Maßnahmen gehörten unter anderem ein Tempo-Limit für Kraftfahrzeuge auf den Straßen und ein Fahrverbot an vier Sonntagen.

Fahrrad auf der Autobahn

Sonntag, 25. November 1973, Totensonntag. Bis dahin noch unvorstellbar: Im Wirtschaftswunderland Deutschland, einem der führenden Automobilproduzenten dieser Welt, ruhte weitgehend der Verkehr. Die Straßen waren leer. Ein Mann, mit dem Fahrrad unterwegs auf der Autobahn, er sagte damals: "Warum sollte ich einen Umweg machen, wenn ich es auf der Autobahn näher habe? Einer ist mir entgegen gekommen, drei haben mich überholt. Es ist bisher gut gelaufen, und ich riskier es auch weiter. Ich würde es auch noch 100 Kilometer riskieren, warum nicht?"

Deutschland blieb zu Hause

An diesem Totensonntag des Jahres 1973 blieben die Deutschen zu Hause. Sogar auf den Gang zum Friedhof verzichteten viele, zum Schaden der Blumenhändler und Friedhofsgärtnereien.

Ein Blumenhändler meinte damals: "(...) wenn Sie die Auslagen mal anschauen, was wir hier allgemein ausgestellt haben, das ist nach den Tagen nicht mehr abzusetzen. Also für uns eine sehr schlechte Situation, die wir haben, aber ich glaube, wir werden allgemein damit fertig werden müssen."

Nicht nur die Blumenhändler - auch die Besitzer und Pächter der Ausflugslokale mussten erhebliche Einbußen hinnehmen. Gegessen wurde mittags daheim, und auch die sonntägliche Kaffeefahrt entfiel.

Nun dürfte man annehmen, dass an einem solchen Tag, an dem Privatautos nur mit einer Sondergenehmigung fahren durften, die Taxifahrer Hochbetrieb gehabt haben. Weit gefehlt - auch die Taxifahrer klagten: "Es ist jetzt zwei Uhr, und ich bin seit heute morgen vier Uhr da, und ich habe (...) fast nichts eingefahren, ohne dabei zu schlafen. Es ist weniger als an einem normalen Sonntag."

Bilanz

Was stand am Ende dieses Tages, am Ende des ersten autolosen Sonntags - zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsstärksten Bundesland? Der damalige Innenminister Willi Weyer zog Bilanz: "Positives Fazit insgesamt: Samstag schon 25 Prozent weniger Verkehr, obwohl keine autofreie Zeit war. Am Sonntag natürlich entsprechend noch weniger Verkehr, aber immerhin sieben Prozent noch auf den Autobahnen, und hier ist zu fragen, ob das berechtigt ist. Sonst bei Verletzungen: erheblicher Rückgang an Verletzungen: Wir haben am Samstag einen Rückgang von 36 Prozent gehabt, am Sonntag von 74 Prozent, und wir haben aber noch zwei Tote gehabt, allerdings keine Verkehrsteilnehmer als Autofahrer, sondern Fußgänger, die angefahren worden sind - und in einem Fall sogar durch einen Verkehrsteilnehmer, der keine Erlaubnis hatte und zweitens betrunken war."

Autor: Claus-Dieter Gersch
   
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