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27.10.1934: Der "Lange Marsch" beginnt
Es war ein historisches Ereignis, das sich praktisch unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit vollzog. Den Anbruch eines neuen Zeitalters in China bekamen selbst die, die es hätten merken müssen, nicht mit. Ruth Fischer, frühere deutsche Kommunistin und spätere Historikerin: "Die Kommunisten wurden von allen Fachleuten und allen China-Kennern als eine Art provinzieller Merkwürdigkeit angesehen, die kaum mehr als eine höchst periphäre Bedeutung haben konnte."

Die Situation in China im Herbst 1934, sie ist gespenstisch. Japan steht als Besatzungsmacht bereits seit drei Jahren im Land. Doch statt alle Kräfte gegen den Aggressor zu sammeln, führen Tschiang Kai-chek und seine Kuomintang erneut einen Vernichtungsfeldzug gegen ihre internen Rivalen, die Kommunisten.

Diese hatten sich nach den Massakern von Kanton und Shanghai 1927 in das Landesinnere, in den Süden, zurückgezogen. Von der kommunistischen Führungsmacht Sowjetunion war keine Hilfe zu erwarten. Ganz im Gegenteil.

Mao, von Moskau sogar zeitweise totgesagt, änderte seine Taktik. Das Proletariat in den Städten konnte seine Zielgruppe nicht mehr sein. Er sammelte seine Anhänger auf dem Land. In Jui-chin in der Provinz Kiangsi entsteht als "Staat im Staate" die erste Sowjet-Republik in China. Mao beginnt mit Reformen, Bodenreformen, Umverteilungen. Und hat ungeahnten Zulauf.

Diese Konkurrenz ist Tschiang Kai-chek nicht gewillt zu dulden. Insgesamt fünf Feldzüge unternimmt er nach Kiangsi, beraten auch von deutschen Militärexperten, bekämpft die Kommunisten mit modernen Waffen, denen sie nichts entgegensetzen können. Legt einen dichten Blockadering um sie. Mao, Chou En-lai und Chu Teh beschliessen, auszubrechen. Auf rund 180.000 Mann kommt ihre "Rote Armee", die schon mehrere Schlachten erfolgreich geschlagen hat, jetzt aber dem Druck nicht mehr standhalten kann. Rund 100.000 Mann gelingt es, sich aus der Umklammerung zu lösen.

Mao will mit ihnen in den Norden ziehen, um eine neue Sowjetrepublik aufzubauen, und beginnt im Oktober 1934 den legendären "Langen Marsch". In seinem Buch "Roter Stern über China" hat der amerikanische Journalist und Mao-Biograf Edgar Snow von dieser Legende eindrucksvoll Zeugnis abgelegt, die nur unter härtesten Entbehrungen und zähester Ausdauer möglich war:

"Ein Jahr dauerte der Marsch: Insgesamt 13.000 Kilometer durch 11 Provinzen, kaum erschlossene Gegenden mit argwöhnischer und feindlicher Bevölkerung, durch Wüsten, unbewohnte Gegenden, mörderisches, grass-überwachsenes Sumpfland, über 18 Bergketten, 24 grosse Flüsse, mit immer wiederkehrenden Kämpfen und Scharmützeln, geschwächt durch Hunger, Durst, schlechte Ausrüstung, Krankheiten. Sie marschieren auf Sandalen aus Stoff, essen rohes Getreide, Verletzte müssen aufgegeben werden, ihr täglicher Begleiter ist der Tod."

Die Historikerin Ruth Fischer, resümiert: "Von den 100.000 Soldaten, die aufgebrochen waren, erreichten nur 20.000 die neue Basis im Norden. Sie bezogen ihr Hauptquartier in der Höhlenstadt Jenan und reorganisierten sich im Distrikt selbst. Sie warben junge Bauern und bildeten sie aus, sie reorganisierten in primitiver Form eine lokale Regierung. Nach zwei Jahren waren sie soweit erstarkt, dass sie eine zwar vom Zentrum entfernte, aber im Norden einflussreiche, neue chinesische Sowjetmacht darstellten."

15 Jahre sollten nach dieser in der Geschichte einzigartigen Operation noch vergehen, bis Mao Tse-tung am 1. Oktober 1949 in Peking die Volksrepublik China proklamierte.

Wer den "Langen Marsch" durchstanden hatte, physisch wie psychisch, den konnte nichts mehr in seinem Glauben an den verdienten Sieg und die Macht erschüttern.

Autorin: Christa Kokotowski
   
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