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30.1.1945: Flüchtlingsschiff Wilhelm Gustloff versenkt
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Es sind die letzten Tage im Monat Januar, als die deutsche Ostfront zusammenbricht und die sowjetische Armee in mehreren gewaltigen Zangenbewegungen Ost- und Westpreußen, Danzig und Hinterpommern vom westlichen Teil des Deutschen Reiches abriegelt. In einem verzweifelten Hin und Her, bei Temperaturen um minus 20 Grad, ziehen Trecks von Zivilisten - zumeist Frauen, Kinder und alte Menschen Richtung Ostsee. Ihr Ziel: mit einem Schiff zu entkommen.

Rettung Ferienschiff

Im Hafen Gdingen bei Danzig liegt die "Wilhelm Gustloff", einst als Ferienkreuzfahrer der nationalsozialistischen Partei-Organisation "Kraft durch Freude" konzipiert. Erbaut 1936 und benannt im Gedenken an den Gebietsleiter der NSDAP in der Schweiz, Wilhelm Gustloff, der 1935 von einem Juden ermordet worden war. Die Schiffstaufe wird von der Witwe des ermordeten Nationalsozialisten durchgeführt.

Das Ferienschiff ist für Tausende von Flüchtlingen die letzte Rettung. Als die "Wilhelm Gustloff" am 30. Januar 1945 in Gdingen anlegt sind bereits 60.000 Menschen im Hafen versammelt. Ein Sturm auf die freien Plätze beginnt, mehr als 6.000 Menschen finden auf dem Schiff Zuflucht. Am 30. Januar legt das Schiff, das eigentlich nur für 1.400 Passagiere ausgelegt ist, schließlich ab. Die Flüchtlinge wähnen sich sicher, doch die russische Aufklärung bemerkt die Evakuierung über See.

Das Flüchtlingsschiff sinkt

Um Punkt 21.08 Uhr nähert sich das russische U-Boot S-13 dem Angriffsziel auf Schussweite und feuert drei Torpedos ab. Alle drei Torpedos schlagen seitlich an verschiedenen Stellen unterhalb der Wasserlinie in der "Wilhelm Gustloff" ein und explodieren. An Bord löst die Explosion eine Massenpanik aus. Eine Zeitzeugin, die als 16-jähriges Mädchen mit Mutter und Schwester auf dem Schiff reist, erinnerte sich: "Drei kurz aufeinander folgende Schläge waren zu hören, dann legte sich das Schiff auf die Seite, Fensterscheiben klirrten, alles war plötzlich schief, alle Lichter gingen aus, und der Saal lag plötzlich schief auf einer Seite."

Die Ereignisse überschlagen sich. Es gibt viel zu wenig Rettungsboote, und die sind teilweise festgefroren. Um jeden Platz wird gekämpft - doch für viele vergebens. Eine Stunde kämpft die "Wilhelm Gustloff" mit aufgerissenem Rumpf gegen den Untergang, doch das eiskalte Wasser dringt überall ein, und gurgelnd versinkt das Flüchtlingsschiff in die Ostsee.

Ein damals 18-jähriger Seemann zur Ausbildung auf der Gustloff wird regelrecht aus dem Schiff gespült: "Das Schiff ist nach 62 Minuten gesunken. Ich lag in einem Floß und sah, wie noch einmal die Festbeleuchtung ansprang. Diesen Anblick werde ich nie in meinem Leben vergessen."

Traumatische Katastrophe

5.348 Menschen finden in den eisigen Fluten den Tod, 937 überleben die Katastrophe. 40 Jahre später treffen sich erstmals Überlebende der Gustloff und ihre Helfer. Auch ein Seemann ist dabei. Geschichten und Schicksale begleiten dieses Treffen in Damp 2000 an der Ostsee, an die sich der Zeitzeuge mit sehr bewegten Gefühlen erinnert: "Da war eine Frau im Rettungsboot, es waren so 20, 30, 40 Menschen, die klammerten sich außen fest, und auf die Menschen wurde eingeschlagen, weil wir sonst alle untergegangen wäre - diese Frau hat gesehen wie eine andere Frau in der Ostsee versank - sie wurde den Gedanken nie los. Sie hatte nie über das Erlebnis gesprochen - bis dahin."


Autorin: Doris Bulau
   
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