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15.5.1955: Staatsvertrag für Österreich
"Der Sonntag des 15. Mai wird nicht nur in die Geschichte Österreichs eingehen, ich glaube, er wird auch ein Wendepunkt sein (für) die ganze große Weltpolitik der heutigen Zeit." Geradezu enthusiastisch äußerte sich der österreichische Außenminister Leopold Figl am 15. Mai 1955, denn dieser Tag brachte das Ende eines langen Wartens:

Zehn Jahre nach Kriegsende unterzeichneten im Marmorsaal des Wiener Schlosses Belvedere die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, der Sowjetunion, der USA und Österreichs den Staatsvertrag, der Österreich die staatliche Unabhängigkeit und Souveränität zurückgab.

Tausende sind auf dem Platz vor dem Schloss zusammengekommen, um dieser historischen Stunde beizuwohnen, und das Radio überträgt die Rede Leopold Figls im ganzen Land, er sagt: "Meine lieben Österreicher und Österreicherinnen, Ihr könnt mir glauben, dass ich heute mit ganz besonderen Gefühlen über den Äther spreche, denn ich kann Euch die freudige Kunde bringen, die Botschafterkonferenz der vier Großmächte mit Teilnahme Österreichs ist heute Nachmittag erfolgreich für Österreich beendet worden."

Zwischen den Fronten des Kalten Krieges

Dass es solange dauern würde bis Österreich seine volle Souveränität zurückerhielt, damit hatte niemand gerechnet. Noch während des Zweiten Weltkriegs hatten die Alliierten festgelegt, Österreich solle als eigenständiger Staat wieder hergestellt werden, dies war auch im Oktober 1945 von den vier Siegermächten bestätigt worden. Im Mai 1946 hatte der US-amerikanische Außenminister seinem österreichischen Kollegen noch versichert, ein Staatsvertrag werde spätestens in einem Jahr unterschrieben. Dann allerdings geriet Österreich zwischen die Fronten des Kalten Krieges.

Zunächst standen zwei Streitpunkte im Zentrum: die jugoslawischen Gebietsansprüche, die die Sowjetunion unterstützte, die Westmächte jedoch rigoros ablehnten und die Frage des "deutschen Eigentums" in Österreich, das man zu Reparationszahlungen heranziehen könne.

Bald jedoch ging es nicht mehr um Sachfragen. Österreich wird quasi zur Trumpfkarte im Verhandlungspoker über Deutschland, das geteilt war zwischen den verfeindeten Blöcken. Über lange Jahre bemühte sich die österreichische Regierung vergeblich, den Abzug der Besatzungstruppen zu erreichen.

Der Durchbruch zum Staatsvertrag

Erst das Jahr 1954 mit dem Abschluss der Pariser Verträge und der Einbindung Deutschlands in die NATO brachte den Durchbruch. Die Sowjetunion leitete eine neue diplomatische Initiative ein, die von den Westmächten zunächst nicht ernst genommen wurde. In bilateralen Gesprächen überzeugte jedoch der russische Außenminister Molotow seinen österreichischen Kollegen, dass es der Sowjetunion hauptsächlich darum ginge, die "Anschlussgefahr" zu bannen. Wenn Österreich sich zur strikten Neutralität verpflichte, stünde dem Abschluss eines Staatsvertrags nichts mehr im Wege.

Nachdem Russen und Österreicher sich bilateral derart geeinigt hatten, blieb den Westmächten nichts anderes übrig als einzulenken. Anfang Mai 1955 trafen sich die Botschafter der Vier Mächte in Wien um den Staatsvertragstext auszuhandeln - am 15 Mai wurde er unterzeichnet.

Leopold Figl sagte: "Es war eine harte Arbeit, aber der Geist, die Bereitschaft, und das Verständnis für Österreich beseelte alle Teilnehmer der Botschafterkonferenz. Und dieser Geist und dieses Wollen war es, das uns heute zu dem so erfolgreichen Abschluss geführt hat."

Am 27. Juli trat der Vertrag in Kraft, der Alliierte Rat wurde aufgelöst und am 25. Oktober 1955 verließen die letzten ausländischen Streitkräfte das Land.



Autorin: Rachel Gessat
   
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