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14.10.1906: Hannah Arendt geboren |
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Ihr Nachdenken, Schreiben und wissenschaftliches Forschen war motiviert von ihrem "Bedürfnis zu verstehen" - und dies hieß für die politische Schriftstellerin und Philosophin Hannah Arendt, die Wirklichkeit zu begreifen, um so mit ihrer Arbeit weniger zu wirken als in der Welt "zu Hause zu sein".
Doch das 20. Jahrhundert stellte dieses Verstehen wollen nach Einschätzung Hannah Arendts vor eine ungeahnte Herausforderung, ausgelöst durch die unfassbaren Schrecken totalitärer Systeme. Sie hatten bisherige Maßstäbe für moralisches Urteilen und politisches Handeln eindeutig gesprengt und damit eine epochale "Krise der Moderne" und ihrer Traditionsbestände hervorgerufen.
Dieser Situation gerecht zu werden, das hieß für Hannah Arendt, die Grundlagen politischen Handelns und Urteilens neu zu bestimmen. Stets diente ihr das Nachdenken über Politik dabei auch zur eigenen Standortbestimmung angesichts persönlicher Erfahrungen von Judenverfolgung, Exil und Krieg.
Geboren 1906 in Linden bei Hannover, wuchs die hochbegabte Schülerin in Königsberg auf; in einem sozialdemokratisch orientierten Elternhaus assimilierter Juden, an das sie sich 1964 in einem Gespräch mit Günter Gaus erinnerte: "Ich habe von Hause aus nicht gewusst, dass ich Jüdin bin. Meine Mutter war areligiös. Mein Vater war früh verstorben. Es klingt alles sehr komisch. Mein Großvater war Präsident der liberalen Gemeinde und Stadtverordneter von Königsberg. Ich komme aus einer alten Königsberger Familie. Trotzdem, das Wort "Jude" ist bei uns nie gefallen, als ich ein kleines Kind war. Es wurde mir zum ersten Mal entgegengebracht durch antisemitische Bemerkungen - es lohnt nicht zu erzählen - von Kindern auf der Straße. Daraufhin wurde ich sozusagen "aufgeklärt"."
1924 begann sie Philosophie, Theologie und Griechisch zu studieren, vor allem unter dem prägenden Einfluss ihrer Lehrer Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie später promovierte.
Aus ihrem Interesse an der deutschen Romantik entstand danach eine kritische Biografie der Jüdin Rahel Varnhagen, abgeschlossen erst 1938, doch nach ihren Worten "schon im Bewusstsein des Untergangs des deutschen Judentums" zu großen Teilen 1933 geschrieben.
Es ist das Jahr, in dem Hannah Arendt zunächst nach Paris und von dort 1941 nach einer mehrwöchigen Internierung in die USA emigrieren musste. Zeitweilig für jüdische Hilfsorganisationen engagiert, arbeitete sie in New York auch als staatenlose Kolumnistin für verschiedene Zeitschriften - so dem deutsch-jüdischen "Aufbau". Erfolglos warb sie darin für die Aufstellung einer eigenen jüdischen Armee und trat für eine Neuformulierung des Zionismus ein.
Nach dem Krieg war Hannah Arendt in den USA zunächst als Verlagslektorin, freie Schriftstellerin sowie später als Gastprofessorin an verschiedenen Universitäten tätig. Zunehmend verlagerte sich dabei ihr Interesse auf Grundsatzfragen der Politik.
Erste Anerkennung in Fachkreisen erlangten Anfang der 1950er-Jahre ihre Untersuchungen zu den "Elementen und Ursprüngen totaler Herrschaft". Diese ist durch ihre Organisationsform des absoluten Terrors charakterisiert. Er aber schließt die persönliche Freiheit aus und läuft in letzter Konsequenz darauf hinaus, den Menschen als Menschen überflüssig zu machen.
Im Gegenzug entsteht ihr philosophisches Hauptwerk "Vita activa oder Vom tätigen Leben". Im Kern geht es hier um die Wiederherstellung von Politik, verstanden als Chance und Raum für die Entfaltung von Freiheit zwischen Menschen, die ihr Zusammensein durch ein gemeinschaftliches Handeln und in Anerkennung menschlicher Pluralität regeln.
In der Öffentlichkeit heftig umstritten blieb ihr Bericht über den Prozess gegen Adolf "Eichmann in Jerusalem" unter anderem wegen der Behauptung einer "Banalität des Bösen, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert". Arendt wollte damit jedoch nur die Schwierigkeit des kritischen Urteilens angesichts fehlender Maßstäbe und dessen dennoch unabdingbare Notwendigkeit herausstellen.
Seit 1967 als Professorin in Chicago, danach in New York tätig, erschien ihr bis zu ihrem Tod 1975 neben Studien zu "Macht und Gewalt" eine Aufgabe dringlich: den Stellenwert unabhängigen politischen Urteilens in jener "Welt" zu klären, von der sie in ihrer Lessing-Preis-Rede 1959 skeptisch meinte: "Aber die Welt und die Menschen, welche sie bewohnen, sind nicht dasselbe. Die Welt liegt zwischen den Menschen, und dieses Zwischen - viel mehr als, wie man häufig meint, die Menschen oder gar der Mensch - ist heute der Gegenstand der größten Sorge und der offenbarsten Erschütterung in nahezu allen Ländern der Erde. Selbst wo die Welt noch halbwegs in Ordnung ist oder halbwegs in Ordnung gehalten wird, hat die Öffentlichkeit doch die Leuchtkraft verloren, die ursprünglich zu ihrem eigensten Wesen gehört."
Autor: Matthias Schmitz |
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