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28.10.1922: "Marsch auf Rom" endet |
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Der 28. Oktober 1922, jener Tag, an dem Mussolinis "Marsch auf Rom" endete, markiert den Beginn des faschistischen Regimes in Italien. Doch wann und wie fand dieser Marsch nun tatsächlich statt, und wer marschierte da? Mussolini jedenfalls nicht, wie sich bald zeigen wird.
Einen "Marsch auf Rom" hatte es in der Geschichte schon oft gegeben, beispielsweise im Jahre 43, als Octavian in die Hauptstadt des römischen Imperiums aufbrach, um so seine Ernennung zum Consul zu erzwingen. Vor allem aber, und darauf berief sich Mussolini: Die Einigung Italiens im Neunzehnten Jahrhundert war durch Garibaldis "Marsch auf Rom" erzwungen worden.
Mussolinis hatte aber auch einen Nachahmer: Adolf Hitler versuchte 1923 von München aus einen Marsch in die deutsche Hauptstadt zu veranstalten und damit die Macht an sich zu reißen. Doch dieser Versuch endete nach nur wenigen Stunden in der Stadt, in der er begonnen hatte und wurde dann bescheiden "Marsch zur Feldherrenhalle" genannt. Immerhin aber, und das ist, wie wir noch sehen werden, mehr als Mussolini behaupten durfte: Hitler war zu Fuß gegangen.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg herrschten in Italien ähnlich chaotische politische Verhältnisse wie in der Weimarer Republik. In beiden Ländern gab es keine demokratische Tradition, so dass es nicht verwundert, dass vornehmlich die radikalen Parteien und die ideologischen Rattenfänger an den Rändern des politischen Spektrums von der allgemeinen Verwirrung profitierten.
Einer vom rechten Rand war Benito Mussolini, ein aus der Emilia Romagna stammender Grundschullehrer und Journalist. Fern jeder politischen Ideologie appellierten er und seine faschistische Bewegung an die Gefühle seiner Landsleute, die sich in unsicheren Zeiten nach Führung und Größe sehnten. Dass seine Bewegung in demokratischen Wahlen keine großen Aussichten hatte, störte den Antidemokraten Mussolini nicht. Er sah sich eher als Tatmensch und bevorzugte daher ohnehin eine andere Art der Machtgewinns.
Am 16. Oktober 1922 beauftragte Mussolini vier Männer, die Herren de Vecchi, de Bono, Balbo und Bianchi, die Stadt Rom anzugreifen, wenn er den Befehl dazu erteilte. Dafür stelle er ihnen 26.000 Kämpfer zur Verfügung, die vor der Stadt in Bereitschaft lagen. Dann drohte er der Regierung und dem konstitutionell regierenden König öffentlich, militärische Mittel einzusetzen, wenn man seinen Forderungen nicht nachkäme. Am 24. Oktober verkündete er: "Entweder wird uns die Regierung übertragen, oder wir nehmen sie uns durch einen Angriff auf Rom: Es ist jetzt die Sache von Tagen, vielleicht von Stunden."
Aus Rom gab es dazu zunächst keine offizielle Antwort. Die Regierung, die schließlich am 28. Oktober um fünf Uhr früh zusammentrat, war entschlossen, der Bedrohung zu widerstehen. Sie beauftragte General Pugliese mit der Verteidigung der Hauptstadt. Dem wollte der König jedoch nicht folgen. Am selben Tag löste er die Regierung auf und beauftragte den Rechtsliberalen Salanda mit der Regierungsbildung. Er hoffte, dieser würde Mussolini ins Kabinett berufen und so den drohenden Staatsstreich verhindern.
Doch Mussolini, immer noch sicher in Mailand sitzend, ließ den König wissen, dass er keinesfalls bereit war, in ein liberales Kabinett einzutreten. Denn was Mussolini vom Liberalismus hielt, kann man in seinem Aufsatz "Macht und Zustimmung" nachlesen - nämlich gar nichts: "Für die unerschrockene, unruhige und herbe Jugend, gibt es andere Worte, die eine viel größere Faszination ausüben, und das sind die Worte: Ordnung, Hierarchie und Disziplin. Dieser arme italienische Liberalismus, der für eine größere Freiheit seufzt und kämpft, ist auf merkwürdige Weise verspätet. Der Faschismus schrickt heute in keiner Weise davor zurück, sich illiberal und antiliberal zu nennen!"
Die Ablehnung seines Vorschlages durch Mussolini und die immer noch im Raume stehende Drohung, die faschistischen Truppen auf Rom in Marsch zu setzen, ließen den König endgültig einlenken. Am 29. Oktober beauftragte Vittorio Emmanuele, König von Italien, Benito Mussolini mit der Bildung einer faschistischen Regierung.
An den nächsten beiden Tagen wurden die noch in Bereitschaft liegenden Männer in Marsch gesetzt. In strömendem Regen erreichten sie die Hauptstadt. Der Duce selbst hatte am Abend des 29. Oktober in Mailand den Nachtzug nach Rom bestiegen und kam so gut ausgeruht, trocken und bequem am Morgen des 30. in Rom an.
So umstritten, wie der "Marsch auf Rom" und seine genauen Umstände sind, so wunderbar ließ er sich propagandistisch verwerten. Zwar verschwieg Mussolini geflissentlich, dass er den Marsch erst am 29. Oktober angetreten und dann in einem Eisenbahnschlafwagen bewältigt hatte. Dafür sprach er später von seiner "italienischen Revolution" und behauptete immer wieder, bei dieser seien insgesamt dreitausend sogenannte "Märtyrer" gefallen.
In einem Falle aber versagte seine Propagandaabteilung. Ihr Versuch, einen neuen Kalender in Italien zu installieren, scheiterte. In diesem Kalender war als erster Tag des Jahres Null jener Tag vorgesehen, an dem der "Marsch Auf Rom" stattgefunden haben sollte: der 28. Oktober 1922.
Autor: Dirk Kaufmann |
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