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23.11.1969: Eingriff ins Erbgut
Erbsen, Erbsenblüten, Erbsenblätter, ovale und vieleckige, rote und weiße. Gregor Mendel, österreichischer Augustinermönch, bestäubte sie in seinem Klostergarten, kreuzte sie und beobachtete, was dabei herauskam. So entdeckte Mendel die Gesetze der Vererbungslehre - nur wollte damals niemand so recht daran glauben, noch etwas davon wissen. Jahrelang verstaubten Mendels Aufzeichnungen in den Schubladen.

26. Juni 2000, Wettlauf beendet. Craig Venter, Wissenschaftler und Eigentümer der Firma Celera Genomics und Francis Collins, der Leiter des staatlich geförderten Humangenomprojektes HUGO, verkünden gemeinsam auf einer großinszenierten Pressekonferenz in Washington: das Erbgut des Menschen ist entschlüsselt: "Wir sind zutiefst dankbar für das Privileg, die erste Generation zu sein, die die Seiten des Buches umblättern darf, die das Geheimnis des Lebens offenbaren, geschrieben in der Sprache der Zeitalter, manche würden sagen, in der Sprache Gottes."

Über drei Milliarden genetische Buchstaben sind entschlüsselt, etwa 30.000 bis 40.000 Gene. Daraus besteht der Mensch. Doch das schwerste steht noch bevor. Zwar kennt man nun die Gene, aber nur von etwa 5000 bis 8000 kennt man auch die Funktion.

Zu komplex ist das Zusammenspiel vieler Gene, zu wichtig bestimmte Umweltfaktoren, als dass man sagen könnte, welches Gen oder welche Gene für Bluthochdruck verantwortlich sein könnten, ob es ein Gen für Alkoholismus gibt, für blaue Augen und blonde Haare oder vielleicht ein Gen für Musikalität, für guten oder schlechten Charakter: "Wir sind hier nicht im Wildwest-Film, wo gut und böse schon an der Nasenspitze erkannt wird, sondern ich denke, es geht um gut gegen gut. Und wir müsse die Prinzipien in einer schwierigen Debatte um die Grenzen deutlich machen. Grenzen werden wir brauchen, die Frage, ob der Mensch alles darf, was er kann, die kann man sofort mit nein beantworten. Natürlich darf er das nicht."

Margot von Renesse, Vorsitzende der Enquete-Kommission des Bundestages. Bislang sind die Ängste vor Menschenzucht und Frankenstein-Visionen unbegründet. Aber vielleicht ist der Schritt zur Genmanipulation beim Menschen doch recht klein. Denn im Januar 2001 präsentierten Wissenschaftler Andi, den ersten genmanipulierten Affen der Welt, nach Aussagen der Wissenschaftler ausschließlich für medizinische Zwecke. Mit Hilfe eingeschleuster Alzheimer-Gene könnten zum Beispiel Medikamente oder Impfstoffe für Menschen getestet werden.

Am Anfang also Gregor Mendel mit seinen Bohnenversuchen, jetzt das genmanipulierte Rhesusäffchen, Craig Venters Karte des menschlichen Genoms und der ängstliche Blick auf den sogenannten gläsernen Menschen. Wo aber liegen die großen Meilensteine?

Einer wurde am 23. November 1969 in Boston gesetzt. Damals gelang es einem Forscherteam unter der Leitung des Biochemikers Jonathan Beckwith erstmals ein einzelnes Gen zu isolieren: "Das war natürlich ein großer Tag damals. Es war der erste Eingriff ins Erbgut. Wir arbeiteten mit sehr populären Bakterien, mit recht einfach gebauten Bakterien, sie heißen Escherichia coli. Es sind Stäbchenbakterien, die bei uns Menschen im Darm leben und dafür sorgen, dass er funktioniert. Das Gen, das wir daraus isolierten war, man könnte sagen, das Basismaterial für alles was in Sachen Gentechnik noch kam."

Und es kam viel - hier ein paar Stationen: 1973 gelingt es amerikanischen Forschern erstmals, Gene eines Frosches in das Darmbakterium einzuschleusen. 1982 kommt in den USA das erste gentechnisch hergestellte Medikament, Insulin, auf den Markt. 1988 wird das erste genmanipulierte Säugetier, die sogenante Krebsmaus in den USA patentiert.

1990 dann startet das Human Genom Projekt. Wissenschaftler aus aller Welt machen sich daran, das menschliche Genom zu entschlüsseln, und im Jahr 2000 präsentieren Craig Venter und die Wissenschaftler des Human-Genom-Projekt die vollständige Karte des menschlichen Erbguts.

Ja, und Jonathan Beckwith, der am 23. November 1969 das erste Gen isoliert hatte, forscht noch immer in Boston, an der Havard Medical School. Und er arbeitet dort noch immer als Gentechniker mit seinem Lieblingsbakterium Escherichia coli.

Autorin: Judith Hartl
   
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