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21.12.1925: "Panzerkreuzer Potemkin" uraufgeführt |
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"Bester Film aller Zeiten." So lautete auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 fast einstimmig das Urteil einer internationalen Filmjury über den sowjetischen Revolutionsfilm "Panzerkreuzer Potemkin". Dabei begann dessen Wirkungsgeschichte zunächst mit einem nur mäßigen Erfolg beim zeitgenössischen Massenpublikum in der Sowjetunion. Hier wurde der Film am 21. Dezember 1925 im Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführt - als offizieller Jubiläumsfilm zur Feier der bürgerlichen Revolution des Jahres 1905.
Diese hatte Regisseur Sergej Eisenstein während seiner Kindheit im großbürgerlichen Milieu seiner Heimatstadt Riga noch als Schock erlebt. In den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution 1917 teilte Eisenstein dann die Absichten der russischen Avantgarde, den bürgerlichen Kunstbegriff zu zerstören und den Alltag durch eine neue Kunst zu organisieren.
Neue Möglichkeit: Montage
Dazu schien ihm nach einigen Jahren am Theater, wo er sich als Bühnen- und Kostümbildner sowie Regisseur betätigt hatte, zunehmend der Film mit seinen neuen Möglichkeiten der Montage geeignet, die Eisenstein grundsätzlich als das stärkste Wirkungsmittel betrachtete. Im Rückblick ist für den deutschen Filmemacher Alexander Kluge das Zukunftsweisende gerade: "(...) diese bestürzende Methode im frühen sowjetischen Film, dass in der Montage die Gegenstände, die Bilder aufeinander stoßen, sich gegenseitig kritisieren und wenn zwei Bilder aufeinander stoßen, der Zuschauer in der Lage ist, ein drittes Bild zu sehen, was im Film gar nicht war. Auf diese Weise kann er seine Erfahrung und seine Assoziationen, den Film in seinem Kopf mit der Leinwand verbinden."
Eisensteins Erfolg mit seinem ersten abendfüllenden Film "Streik" bewog die Sowjetregierung, an ihn den Auftrag für Regie und Drehbuch zu dem Jubiläumsfilm zu vergeben - zunächst noch unter dem Arbeitstitel "Das Jahr 1905". Ein Szenario lag bereits vor, doch bei Dreharbeiten in Odessa im August 1925 verwarf der Regisseur es ebenso endgültig wie bereits abgedrehte Episoden.
Zum kompletten Film wurde nun der Aufstand von Matrosen auf einem Kriegsschiff der Schwarzmeerflotte und ihre anschließende Verbrüderung mit der streikenden Bevölkerung von Odessa ausgeweitet - eine Episode, die im ursprünglichen Drehbuch auf nur anderthalb Seiten skizziert war. Doch jetzt sollte sie beispielhaft für die Auflehnung gegen das zaristische Regime und die revolutionären Stimmungen des ganzen Jahres 1905 stehen.
Emotionale Überzeugungskraft
Auf eine detailgenaue Chronik der historischen Ereignisse verzichtete Eisenstein dabei bewusst, denn seine bahnbrechende Inszenierung und Montage des "Panzerkreuzer Potemkin" zielte auf dessen "emotionale Überzeugungskraft" und "Einwirkung" auf den Zuschauer ab. So auch in der wohl berühmtesten Sequenz des Films, dem Massaker regierungstreuer Soldaten auf der Hafentreppe in Odessa; bei der deutschen Erstaufführung 1926 in ihrer suggestiven Kraft noch durch die Begleitmusik nach einer Komposition Edmund Meisels verstärkt.
Man sieht Einstellungen glänzender Stiefel von Soldaten, die einer Maschine ähnlich im Gleichschritt schießend gegen die eben noch friedliche Bevölkerung vorrücken; daneben Einstellungen wehrloser Einzelpersonen, die aus der flüchtenden Volksmenge als typisierte Figuren hervortreten. Wie jene tödlich getroffene junge Mutter, die noch im Fallen ihren Kinderwagen die Treppe hinab stößt, oder die hilfesuchende alte Frau, von der wir im letzten Bild das zerschlagene Brillenglas mit ihrem zerschossenen Auge dahinter sehen.
Beim Zuschauer verdichtet sich durch diese suggestiv montierte Bildfolge der Eindruck von der brutalen Grausamkeit des zaristischen Feudalregimes. Zugleich wird das Leid der Opfer für den mitfühlenden Zuschauer nachvollziehbar.
Umpflügen der Psyche
Der formale Aufbau des Revolutionsfilms insgesamt als fünfaktiges Drama ohne individuelle Helden; seine Inszenierung von Massenaktionen mit Laiendarstellern oder der epochemachende Einsatz damals möglicher Montagetechniken - alles dies wurde konstruktiv eingesetzt, um bei den Zuschauern die "Psyche mit der geforderten Klassenzielsetzung umzupflügen", wie Eisenstein programmatisch betonte.
Doch beim großen Publikum der Sowjetunion stellte sich ein nachhaltiger Erfolg erst ein, als im Jahre 1926 Nachrichten von begeisterten Reaktionen, aber auch von umstrittenen Zensureingriffen und Verboten in Europa und den USA eintrafen. Eisenstein selbst aber bemühte sich in der Folgezeit, die Montage nicht nur als Bauprinzip des Films, sondern der Kunst schlechthin in immer neuen Anläufen zu erkunden, ohne jedoch zu einer einheitlichen Konzeption zu gelangen. Und bis zu seinem Tode im Jahre 1948 durch seinen Erfolg stets davon bedroht, von der Sowjetführung als Staatsregisseur vereinnahmt zu werden.
Autor: Matthias Schmitz |
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