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18.3.1962: FLN siegt in Algerien |
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Fünf Monate hatte die neue Runde von Verhandlungen am Genfer See gedauert, dann erlebte der mondäne Ort Evian ein historisches Ereignis: Vertreter der französischen Regierung und der algerischen Befreiungsbewegung FLN waren sich einig: In Algerien sollte Waffenstillstand ausgerufen und der Weg frei gemacht werden für die Unabhängigkeit dieser nordafrikanischen Provinz Frankreichs. Jahrzehntelanger Widerstand und ein acht Jahre langer Bürgerkrieg sollten damit beendet werden.
Es hatte bereits wiederholte Kontakte zwischen der bisherigen Kolonialmacht und den Aufständischen gegeben, immer wieder aber scheiterten diese Verhandlungen daran, dass zu wenig zu spät angeboten wurde. Paris tat sich schwer damit, denn seine Herrschaft über Algerien datiert zurück auf 1830, als es dieses nordafrikanische Land dem Osmanischen Reich entriss und es sich einverleibte.
Dies blieb natürlich nicht ohne Widerstand von Seiten der einheimischen Bevölkerung. Immer wieder brachen Rebellionen aus, wurden aber niedergeschlagen und ihre Führer ins Exil getrieben oder umgebracht. Frankreich ging dabei nicht zimperlich um mit den Aufständischen: Die muslimische Bevölkerung Algeriens wurde bei der Niederschlagung der Revolten des Neunzehnten Jahrhunderts um gut drei Millionen dezimiert.
Gleichzeitig siedelten Franzosen in den fruchtbaren Teilen des Landes - besonders entlang der Mittelmeerküste - und besaßen durch Enteignung oder Aufkauf bald bis zu einem Drittel des bebaubaren Bodens. Und obwohl die (zu Beginn des Ersten Weltkrieges) knapp 800.000 Siedler gerade eben 15 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, kontrollierten sie nicht nur den besten Boden, sondern auch die wichtigsten Bereiche von Handel, Finanzen und Industrie.
Was aber folgenschwerer war: Obwohl Paris Algerien als Teil Frankreichs betrachtete, war es nicht bereit, den muslimischen Einwohnern automatisch die französische Staatsangehörigkeit zuzugestehen. Sie mussten dazu erst eine französische Erziehung nachweisen und auf ihren Status nach muslimischem Recht verzichten, und nur wenige waren dazu bereit.
Die Kluft zwischen französischen Siedlern und algerischen Muslimen wuchs stetig weiter, auch weil in Volksvertretungen nur französische Bürger gewählt werden durften, diese also überwiegend von der Bevölkerungs-Minderheit bestimmt wurden.
In den 1920er Jahren begannen nationalistisch-muslimische und sozialistische algerische Gruppen sich zu formieren, um diesem Übel ein Ende zu bereiten. Getragen von jungen Algeriern, die im Ausland studiert hatten, waren diese Gruppen von europäischem Gedankengut getragen, obwohl es ihr erklärtes Ziel war, sich eben dem zu entziehen.
In den 1930er Jahren wuchs die Hoffnung, dass die Sozialisten in Paris Algerien mehr Rechte ein räumen würden, dies scheiterte aber am Widerstand konservativer Kreise und der "Pieds Noirs", der französischen Siedler.
Neue Unruhen blieb aus, weil der Zweite Weltkrieg andere Prioritäten setzte und auch viele muslimische Algerier in der französischen Armee kämpfen sah. Schon kurz nach der Landung der Alliierten in Algerien im Jahre 1942 aber setzten neue Untergrundaktivitäten nationalistischer Gruppen ein. Das freie Frankreich war aber nicht bereit, Algerien die Unabhängigkeit zu geben, sondern wollte nur die Stellung der Muslime verbessern. 60.000 sollten französische Bürger werden dürfen, gerade eben die Hälfte machte davon Gebrauch.
1947 bot man allen Algeriern die Staatsangehörigkeit an, dies konnte die Unabhängigkeitsbestrebungen aber nicht mehr unterdrücken. 1954 trafen sich junge Mitglieder verschiedener nationalistischer Gruppen und beschlossen, als "Nationale Befreiungsfront" (FLN) den bewaffneten Kampf aufzunehmen, um die Unabhängigkeit zu erlangen. Ihr Anführer wurde Ahmed Ben Bella, der in der französischen Armee gedient hatte.
Mit dem Beginn des offenen Kampfes musste Ben Bella untertauchen und ins Exil gehen. Der französische Geheimdienst wurde seiner jedoch habhaft, und Ben Bella wurde in Frankreich unter Hausarrest gestellt. Er blieb jedoch unbestrittener Anführer des algerischen Unabhängigkeitskampfes.
Dieser Kampf wurde immer gewalttätiger, und in Frankreich stieg die Gewissheit, dass man die Unabhängigkeit Algeriens nicht mehr würde verhindern können. Die Frage war nur noch, wie man die Rechte der Europäer in Algerien - der Siedler und ihrer Nachfahren - sicherstellen könnte.
Nach mehreren Anläufen begannen die Waffenstillstandsverhandlungen von Evian, und man einigte sich auf Übergangsregelungen, die der Gewalt ein Ende bereiten und Algerien in die Unabhängigkeit überführen sollten. Ben Bella wurde freigelassen, zur Unabhängigkeit aber kam es noch nicht: Die Pieds Noir begannen ihren Aufstand, angeführt von General Salan.
Der Widerstand dauerte nicht lange: Salan wurde am 20. April festgenommen, und am 17. Juni erklärten die Europäer ihren Aufstand für beendet. General de Gaulle, der sich sehr für die Beendigung des Algerienkrieges eingesetzt hatte, entließ das Land am 3. Juli in die Unabhängigkeit, nachdem zwei Tage zuvor 99,7 Prozent bei einem Referendum dafür gestimmt hatten.
Autor: Peter Philipp
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