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11.5.1973: Bundestag nimmt Grundlagenvertrag an |
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In seinem Schlusswort vor der Abstimmung über den Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am 11. Mai 1973 im Bundestag unterstrich der damalige Bundeskanzler Willy Brandt noch einmal die historische Bedeutung der Stunde. Er sagte: "Es gibt das Wort, dass ein Volk seine Substanz verliert, wenn es seine Geschichte preisgibt. Ich stimme dem zu und ergänze: Ein Volk verweigert sich seiner Geschichte, wenn es meint, sie mit Wunschträumen fortschreiben zu können."
Der sozial-liberalen Koalition ging es darum, den Realitäten Rechnung zu tragen, sie wollte einen Modus vivendi finden. Deshalb richtete sie ihr Vertragswerk an den Gegebenheiten aus: Es gab zwei deutsche Staaten unterschiedlicher politischer und sozialer Grundordnungen und eine auf unbestimmte Zeit bestehende Teilung. Der Grundlagenvertrag sollte eine Phase der Kooperation und zunehmender Normalität zwischen den beiden Staaten in Deutschland einleiten.
Ganz dieser Intention entsprechend, umriss der damalige Außenminister Walter Scheel in der Debatte die Absichten, die die sozial-liberale Koalition mit dem Grundlagenvertrag verband: "Er soll die Verbindung und das Gespräch zwischen den Menschen in Deutschland erleichtern und das Bewusstsein der nationalen Zusammengehörigkeit aller Deutschen lebendig erhalten; die Voraussetzung einer Zusammenarbeit zwischen beiden deutschen Staaten auf vielen Gebieten schaffen. Er soll den gegenwärtigen Zustand der Teilung als Konfliktherd in der Mitte Europas entschärfen, ohne dass wir auf das Ziel der Überwindung der Teilung verzichten."
Beziehungen von besonderer Art
Der Vertragstext ließ drei Elemente erkennen: Erstens wurden die zwischenstaatlichen Verhältnisse formalisiert, zweitens "menschliche Erleichterungen" vor allem im Grenzverkehr vereinbart und drittens Sachgebiete aufgelistet, auf denen man künftig "zum beiderseitigen Vorteil" zusammenarbeiten und Abkommen schließen wollte.
Den Anstoß zu den Vertragsverhandlungen hatte Brandt bereits vier Jahre zuvor in seiner Regierungserklärung im Oktober 1969 gegeben: "Aufgabe der praktischen Politik in den jetzt vor uns liegenden Jahren ist es, die Einheit der Nation dadurch zu wahren, dass das Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der gegenwärtigen Verkrampfung gelöst wird."
Deshalb biete die Bundesregierung dem Ministerrat der DDR Verhandlungen ohne Diskriminierung auf Ebene der Regierungen an, die zu vertraglich vereinbarter Zusammenarbeit führen sollten. Aber schon damals stellte Brandt ausdrücklich klar: "Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesregierung kann nicht in Betracht kommen. Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland. Ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein."
Auseinandersetzungen
Doch bevor Verhandlungen mit Ostberlin aufgenommen wurden, schloss die neue Regierung zunächst vertragliche Vereinbarungen mit der Sowjetunion und Polen. Sie hatte erkannt, dass zunächst diese Beziehungen stabilisiert werden mussten, ehe die Sowjetunion die Schranke für ein Fortfahren in den deutsch-deutschen Beziehungen öffnen würde. Erst Mitte 1972 begann der deutsch-deutsche Meinungsaustausch, der am 21. Dezember des gleichen Jahres mit der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages abgeschlossen wurde.
Die grundsätzliche und sehr heftige Auseinandersetzung über diesen Vertrag fand im darauf folgenden Jahr statt, als der Vertrag im Parlament diskutiert und schließlich angenommen wurde.
Die Opposition listete eine ganze Reihe von Vorbehalten auf: Der Vertrag enthalte keine abgesicherten Aussagen über menschliche Erleichterungen und Verbesserungen der Freizügigkeit. An der Mauer werde weiter geschossen. Der Vertrag könne der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR gleichgesetzt werden, denn er akzeptiere die DDR als selbständigen und unabhängigen Staat. Die Bundesregierung habe unter Erfolgszwang und Termindruck gehandelt, langjährige Forderungen der DDR erfüllt und keine entsprechenden Gegenleistungen erhalten.
Der Abschluss
Zum Abschluss der zum Teil mit großer Erbitterung und persönlichen Verunglimpfungen geführten Debatte fand der damalige kommissarische Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Kurt Georg Kiesinger, dann doch noch ein versöhnliches Wort: "Was nun die angestrebten Verbesserungen für das Leben unseres geteilten Volkes in unserem Lande anlangt, meine Damen und Herren, so dürfen Sie sicher sein, Herr Bundeskanzler, sie werden für alles und jedes, was da nach vorne führen kann, was die Qualität des Lebens auch in diesem Zusammenhang für unser Volk und vor allem für jene drüben verbessern kann, unsere Unterstützung haben."
Der Grundlagenvertrag wurde mit der Mehrheit der SPD/FDP-Koalition angenommen.
Autorin: Beate Preuschoff
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