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18.5.1848: Nationalversammlung in der Paulskirche
Sie galt als "tolles Jahr", die Revolution von 1848/1849, und das war in Deutschland lange Zeit durchaus als anstößig gemeint. Tatsächlich war es ein historischer Wendepunkt, auch wenn letztlich dann die restaurativen Kräfte siegten.

Vor rund 150 Jahren, das darf festgehalten werden, belebten sich das Vereinswesen und das Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft. Die nationalen Sehnsüchte, die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei, begünstigten am Ende die Proklamation des Deutschen Reiches von 1871. Aber schön der Reihe nach:

Da war im ziemlich fernen Palermo auf Sizilien schon im Januar 1848 ein von radikal-bürgerlichen Gruppen und von einem ländlichen Proletariat geschürter und getragener Aufstand ausgebrochen, der Ferdinand II. nötigte, schon Anfang Februar dem Königreich eine Verfassung zu geben. Und im April brachte im schon nicht mehr so entfernten Frankreich die Wahl zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung den gemäßigten bürgerlichen Republikanern die Mehrheit.

Der König der Franzosen hatte abgedankt. Das ging wie ein Lauffeuer durch die deutschen Lande, im März 1848. In Berlin kommt es zu ersten Demonstrationen vor dem Schloss, Soldaten marschieren auf, es gibt über 200 Tote. In Deutschland mit seinen 39 Einzelstaaten wollen große Teile des Volkes nicht länger bloßes Objekt der Fürsten-Willkür sein.

Preußen-König Friedrich Wilhelm IV. versucht das Volk zu beruhigen und sagt Wahlen zu. Die finden schon im Mai statt, die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung.

Da beraten also in der Paulskirche 586 Abgeordnete - 223 Juristen, 106 Professoren, 46 Industrielle und vier Handwerker. Von Arbeitern und Bauern keine Spur. Diese Großbürger, die sind nicht nur untereinander zerstritten, sondern haben obendrein noch große Teile der Gesellschaft gegen sich, nämlich Adel, Kirche und das Militär.

Die großen Streitpunkte der Volksbewegung: Monarchie oder Republik? Zentralismus oder Föderalismus? Wie soll das Verhältnis zwischen Deutschen und den nichtdeutschen Minderheiten künftig aussehen? Und dann die gesellschaftliche Machtfrage: Soll das aufbegehrende Bürgertum den Ausgleich mit den Konservativen suchen oder die Arbeiter als Bündnispartner behalten?

Es gab zuviele überaus divergierende Meinungen, zuviel Wirres in den Köpfen, und gerade die Wortführer der Revolution zeigten sich unerfahren und unentschlossen, ja geradezu träumerisch-weltfremd. So musste dieser revolutionäre Ansatz zum Scheitern verurteilt sein.

Im März 1849 lehnt es der preußische König ab, sich von den Frankfurter Abgeordneten zum, na ja, "Erbkaiser" ausrufen zu lassen. Nachdem sich die restaurativen Kräfte neu formieren, suchen die Radikal-Liberalen den Entscheidungskampf. Das Volksheer hat freilich keine Chance. Die letzten Revolutionäre verschanzen sich in der Festung Rastatt. Am 23.Juli 1849 kapitulieren sie - und die Obrigkeit nimmt blutige Rache, mit Standgerichten, Erschießungen, Gefängnisstrafen.

Die Verfassung war zwar zustande gekommen, aber eben nie in Kraft getreten. Dennoch: sie enthielt wegweisende Gedanken, die nicht zuletzt auch zu den Grundlagen der Verfassung von 1949 gehören. Der Historiker Hans Mommsen meint:

"Ohne jede Frage war diese Revolution ein wichtiger Ansatzpunkt zur Entwicklung eines modernen politischen Lebens in Deutschland, zu einer Modernisierung der Gesellschaft. Und man muss nicht nur die gescheiterten Verfassungspolitikelemente ansehen, sondern auch die vielfältigen Antriebe, die das Paulskirchenparlament gegeben hat. Ich denke, dass man doch deutlich die positiven Errungenschaften der Revolution würdigen muss. Es bleibt das grundsätzliche Problem, dass die soziale Frage zusammen mit der konstitutionellen und der Nationalstaatsfrage auftauchten, und dass dies gleichsam die Lösungskompetenzen dieser bürgerlichen, liberalen Politiker bei weitem überschritten hat."

Immerhin also, und im übrigen: 1848 hat es erstmals einen europäischen Kommunikationsraum gegeben, denn die Revolution übersprang Ländergrenzen. Und sie scheiterte, als in den Zentren der Revolution fremde Truppen aufmarschierten - die Preußen in Baden, die Österreicher in Norditalien, die Russen in Ungarn. Daran, an das europäische Element, hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog zur 150-Jahr-Feier angeknüpft - freilich im positiven Sinne.

Autor: Norbert Nürnberger
   
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