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26.10.1927: Die Gründung von "Quelle"
Gustav Schickedanz ist eine der schillerndsten Figuren der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg wird er Mitarbeiter beim Kurzwarengrossisten Otto Lehnert in Fürth. Bereits kurze Zeit später ist er Teilhaber der Firma, kann sich aber mit seinen Ideen nicht durchsetzen. Schickedanz will seine Waren mit per Post verschickten Preislisten an den Mann bringen. Er gründet dafür 1923 eine eigene Firma, aus der am 26. Oktober 1927 schließlich das "Versandhaus Quelle" wird.

Als der Kaufmann plant, einen Versandhandel zu eröffnen, wählt Schickedanz bewusst einen Firmennamen, der seine Geschäftsidee unmissverständlich ausdrückt: "Quelle". Ab sofort kann sich jeder Waren des täglichen Bedarfs nach Hause liefern lassen; ohne Umweg über den Zwischenhandel, sprichwörtlich direkt von der Quelle.

Nach US-amerikanischem Vorbild

Am 26. Oktober 1927 wird das Unternehmen gegründet. Quelle-Pressesprecher Manfred Gawlas beschreibt Gustav Schickedanz als aufmerksamen Marktbeobachter, der auch während der Depression der 1920er-Jahre seine Kunden zu erreichen weiß: "Die Quelle hatte ein Angebot, um die damalige sehr harte Zeit zu lindern: Näh- und Strickmaterial, Kurzwaren, Waschmittel etc. All das, was sicherlich auch schon im stationären Handel zu kaufen war, allerdings zu deutlich günstigeren Preisen und zu deutlich besserer Qualität."

Das Konzept ist so einfach wie effizient: Schickedanz übernimmt die Kostenstrukturen seines bisherigen Großhandels "Kurzwaren en gros". Er kauft in riesigen Mengen ein, und geht eigenständig auf die Suche nach zuverlässigen Lieferanten.
Die hauseigene Marke "Dukaten-Wolle" wird zum absoluten Verkaufsschlager. Sie wird zusammen mit Strickanleitungen deutschlandweit verschickt.

Nach US-amerikanischem Vorbild baut der Unternehmer außerdem eine umfassende Kundendatei auf und inseriert Werbung in kleinen Heimatblättchen, bis nach nur einem Jahr der Quelle-Katalog erscheint, über den Manfred Gawlas sagt: "Am meisten arbeitete er mit Preislisten, die in regelmäßigen Abständen kamen. Das waren noch keine Kataloge wie heute; das waren dünne Hefte, sehr liebevoll gemacht. Oft auch mit Wollproben darin mit entsprechenden Erläuterungen, mit selber gezeichneten Abbildungen. Er war, so wie er sagte, die "Fundgrube für die Familie"."

Schlechte Zeiten, gute Zeiten

Im Zweiten Weltkrieg werden sämtliche Betriebsanlagen in Nürnberg/Fürth zerstört; die Kundendatei wird komplett vernichtet. Es ist das vorübergehende Aus für Quelle. Aufgrund seiner Verbindungen zur NSDAP erhält Gustav Schickedanz nach Kriegsende drei Jahre Berufsverbot. Das Unternehmen wird von seiner Frau Grete gerettet. Sie eröffnet 1946 einen kleinen Textilladen und nimmt 1948 das Versandgeschäft wieder auf. Bis zu ihrem Tod 1994 wird sie neben ihrem Mann die treibende Kraft des Unternehmens sein.

Über Jahrzehnte bleibt Quelle als deutsches Traditionsunternehmen etabliert. Von Beginn an setzt Gustav Schickedanz nicht nur auf die zahlungskräftige Mittelschicht. Auch Einkommensschwache sollen bei Quelle einkaufen können - per Ratenzahlung, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen, wie Manfred Gawlas erläutert: "Er wollte einen Beitrag zur Demokratisierung des Luxus leisten. Er wollte Gebrauchsgüter, die sich damals tatsächlich nur eine ganz dünne Schicht der Bevölkerung leisten konnten, möglichst vielen Verbrauchern zukommen lassen, zu einer hohen Qualität."

Nach 82 Jahren vor dem Aus

Mit Aufkommen des Internet in den 1990er-Jahren setzt auch Quelle auf den Onlinehandel. Auf diese Weise werden die Nutzerzahlen trotz neuer Konkurrenz wie Amazon und Ebay relativ stabil gehalten. 1999 wird das Familienunternehmen zur Aktien-Gesellschaft. Quelle fusioniert mit Karstadt zur Karstadt-Quelle AG, die wenig später den Namen Arcandor AG erhält. die wenig später den Namen Arcandor AG erhält. Die Namensänderung bringt kein Glück: Anfang Juni 2009 meldet Arcandor Insolvenz an. Wegen fehlender Investoren steht der Traditionsversand am 20. Oktober 2009 nach 82 Jahren vor dem Aus. Mit dem Versandhaus Quelle stirbt auch ein Stück deutscher Handelsgeschichte.



Autorin: Sarah Tschernigow
   
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