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12.7.1929: Knaus-Ogino veröffentlicht
Knaus-Ogino - die Methode zur Geburtenplanung, die die katholische Kirche für ihre Gläubigen je anerkannte, die in der Enzyklika "Humanae Vitae" die ausdrückliche Billigung des Papstes gefunden hatte. Und weil sie sich zur sicheren Schwangerschaftsverhütung letztlich doch als kaum geeignet erwies, hieß sie bald auch hier und da "Vatikanisches Roulette".

Die Rede ist von der nach dem Österreicher Hermann Knaus und dem Japaner Kjasaku Ogino benannten Kalendermethode - für Gynäkologen und Familienberater ein Begriff, den älteren Semestern wohl auch noch, die Pillengeneration aber weiß kaum noch, was sich dahinter verbirgt.

Unabhängiges Zusammenspiel

1929 auf dem Gynäkologenkongress in Leipzig stellte der Österreicher Hermann Knaus zum ersten Mal seine Erkenntnisse über die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau vor. Schnell war klar, dass damit Paaren ein Mittel in die Hand gegeben wurde, einerseits den günstigsten Termin für die Zeugung zu bestimmen, andererseits aber auch, um unerwünschten Nachwuchs zu verhindern.

Etwa zeitgleich aber doch unabhängig von Hermann Knaus hatte der japanische Gynäkologe Kjasaku Ogino entdeckt, dass während des weiblichen Zyklus fruchtbare und unfruchtbare Phasen auftreten, die einem bestimmten gesetzmäßigen Rhythmus folgen.

Revolutionär

Für die damalige Zeit war das eine Revolution. Verhütung, das hieß in den 1920er- und 1930er-Jahren in Deutschland Kondome, zum Teil abenteuerliche chemische und mechanische Praktiken oder eben "aufpassen", wie man das nannte. Unsicher und vor allem für die Arbeiterfrauen auch unerschwinglich waren diese Methoden, unerwünschte Schwangerschaften, illegale Abtreibungen mit fürchterlichen Folgen an der Tagesordnung.

Ab 1932 wurde die Knaus-Ogino-Methode in Deutschland bekannt und vor allem von den für ihre Zeit sehr fortschrittlichen Sexualberatungsstellen in der Weimarer Republik verbreitet. Verständlich, dass sich mit Knaus-Ogino damals große Hoffnungen verbanden, meint eine Gynäkologin: "Ich glaube, dass so fantastisch an der Knaus-Ogino-Methode ist, dass zum ersten Mal die Frau wirklich mit einbezogen ist, dass sie ihre eigenen Vorgänge kontrollieren konnte, dass sie nicht mehr die war, die dem ausgeliefert war, was die Natur mit ihr machte - und der Mann mit ihr machte, sondern dass sie selber bestimmen konnte."

Unsicherheiten

So schön das alles klingt, Knaus-Ogino ist nicht umsonst fast in Vergessenheit geraten. Die Kalendermethode suggeriert die Möglichkeit, dass die Frau "gefährliche" und "ungefährliche" Tage bestimmen kann und damit in der Lage ist, eine Schwangerschaft auszuschließen, wenn sie es wünscht.

In der Realität kann das aber nicht zuverlässig funktionieren, denn die Knaus-Ogino-Methode beruht letztendlich darauf, vorauszusagen, wann ein Ereignis im Körper der Frau, nämlich der Eisprung und damit die Empfängnisbereitschaft, eintreten wird. Das weiß man mit Gewissheit - aber immer erst im Nachhinein.

Und noch einen großen Nachteil gibt es, findet die Gynäkologin - und mit ihr viele Frauen: "Ich finde, dass in der Sexualität überhaupt Spontaneität das A und O ist. Also wenn man anfängt zu rechnen, kann ich heute überhaupt oder darf ich nicht, und wenn man dann mit dem Gefühl der Unsicherheit schon rangehen muss, weil man eine solche Verhütungsmethode gewählt hat, dann darf man nicht mehr all zu viele Erwartungen an das Erleben stellen."

Den Körper beobachten

Mittlerweile ist die von Knaus-Ogino begründete Methode weiterentwickelt worden. Niemand verlässt sich heutzutage nur auf das Abzählen und Rechnen. Und während viele der niedergelassenen Gynäkologen weiter die Pille als Mittel der Wahl verschreiben, bieten Beratungsstellen und alternative Frauengesundheitszentren Kurse zur natürlichen Geburtenregelung an.

Dort lernen die Frauen, ihren eigenen Körper zu beobachten und zu deuten. Der Zulauf zu diesen Kursen ist beträchtlich. Und es sind nicht in erster Linie religiöse Gründe, die immer mehr Frauen dazu bringen, sich für natürliche Verhütungsmethoden zu interessieren. Es ist vielmehr der Wunsch, die natürlichen Prozesse nicht zu verfälschen, sondern in Einklang mit dem eigenen Körper zu leben.




Autorin: Martina Assuncao
   
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