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18.11.1981: "Schwerter zu Pflugscharen" in der DDR
In einer Ost-Berliner Kirche spielt der DDR-Liedermacher Stefan Krawczyk. Es ist ein Lied gegen den SED-Staat, gegen die Bevormundung und für den Frieden. Wie die anderen Basisgruppen konnte sich auch die Friedensbewegung in der DDR ausschließlich im Schutz der evangelischen Kirche bewegen.

Die Gruppen waren so etwas wie eine Opposition im SED-Staat, wie der spätere Bürgerrechtler Rüdiger Rosenthal erklärt: "Ursprung dieser vielen verschiedenen Gruppen ist so zu sehen Ende der 1970er, das sind Gruppen am Rande der evangelischen Kirche, die sich um die Betreuung von Jugendlichen kümmern, die sozial gefährdet sind. Die andere Richtung sind diese Friedensgruppen, die ihren Ursprung haben in der Abwehr der Militarisierung der DDR-Gesellschaft, und die dritte Richtung sind die Ökologie-Gruppen, die sich auch so Anfang der 1980er herausbildeten."

Es war die Abwehr der Militarisierung, aus der in den Jahren 1981 und 1982 die wohl größte oppositionelle Massenbewegung in der DDR seit 1953 entstand. "Schwerter zu Pflugscharen" hieß ihre Losung, ihr Symbol war die stilisierte Abbildung eines Denkmals, das die Sowjetunion der UNO geschenkt hatte und das in New York aufgestellt war. Es zeigte einen schmiedenden Muskelprotz im stalinistischen Realismus.

"Ja, das haben wir ja bei unserer Friedensbewegung bewusst aufgenommen, und darüber waren natürlich unsere Militaristen hier besonders erbost, dass wir so ein Symbol der Sowjetunion aufnehmen, aber wir sagten: das stammt doch aus der Heiligen Schrift, aus Micha und Jesaja stammt das."

Weder der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer noch der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR hatten damit gerechnet, dass das Symbol Anstoß erregen könnte. Während der Friedensdekade vom achten bis zum 18. November 1981 wurde es als etwa 50 Quadratzentimeter großer Textilaufnäher angeboten, der fortan auch bei Kirchenfremden reißenden Absatz fand.

Im Straßenbild bald überall zu sehen, wurde der Aufnäher für den Staatssicherheitsdienst Ausdruck einer oppositionellen Haltung, wie sich Altbundespräsident Richard von Weizsäcker erinnert: "Das wurde zu einem Symbol, das dann immer mehr Menschen als Zeichen trugen, auch wenn es ihnen oft genug durch die sogenannten Ordnungshütern von den Jacken gerissen wurde."

In Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten wurden Jugendliche zur Rede gestellt. Gleichzeitig startete die SED eine Kampagne und behauptete, unter den Trägern des Symbols seien gewalttätige Kriminelle. Auf die Kirchenleitung wuchs der Druck, das Symbol aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen.

Die Bischöfe wollten den Konflikt mit dem Staat nicht ausufern lassen, wie sich Bischof Werner Leich erinnert: "Wir haben vor allem die Möglichkeit gehabt, die Menschen unter den Dächern der Kirche aufzunehmen, die gesellschaftskritische Anliegen hatten. Das ist uns nicht immer leicht gefallen, wir haben uns gefragt: ist das noch die Sache der Kirche?"

Auf der Bundessynode im September 1982 distanzierte sich die Kirchenleitung offiziell von dem Friedensaufnäher, "um des lieben Friedens Willen", wie es hieß. Einzelne Pfarrer wie Friedrich Schorlemmer ließen sich aber dennoch nicht beirren. 1983, im Jahr der Raketenstationierung, setzte Schorlemmer sich auf dem Kirchentag in Wittenberg auf spektakuläre Weise über das Verbot hinweg, wie Bundespräsident von Weizsäcker, der Gast auf dem Kirchentag war, beobachten konnte: "Im völlig überfüllten Lutherhof ließen sie ein geschmiedetes Schwert feierlich durch die Massen hereintragen, und sie gedachten der Worte des Propheten Micha: sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. So wurde - buchstäblich unter den Augen der Stasi mit ihren Infrarotfilmen dokumentiert - das Schwert zur Pflugschar umgeschmiedet."

Vom westdeutschen Fernsehen gefilmt und ausgestrahlt, erhielt die Aktion für die Friedensbewegung eine überragende Bedeutung. Das Symbol tauchte immer wieder auf, 1987 beim Olof-Palme-Friedensmarsch und schließlich auch 1989/90 als Emblem für die Fahne einer demokratisierten DDR.

Autorin: Sabine Kinkartz
   
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