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9.3.1956: Makarios deportiert
Der 42-jährige Passagier entsprach so gar nicht den Vorstellungen, die man normalerweise von einem Erzbischof hat. Und nachdem er in den Jahren zuvor zu Konferenzen der blockfreien Staaten gereist war und in fremden Hauptstädten wie ein Staatschef empfangen worden war, hatte diese Reise gar nichts Staatsmännisches an sich: Makarios III. befand sich auf dem Weg auf die Seychellen im Indischen Ozean. Nicht freiwillig, sondern auf Befehl des britischen Gouverneurs von Zypern.

Dieser hatte Makarios als einen der Rädelsführer hinter einer Kette von nationalistischen Terroranschlägen ausgemacht und das einzige Zugeständnis, zu dem er Makarios gegenüber bereit war: Der Erzbischof kam nicht ins Gefängnis, sondern wurde in die Verbannung geschickt.

Der Sohn eines einfachen Hirten aus der Gegend von Paphos im Westen der Insel hatte es bereits sehr weit gebracht: Nach dem Theologie-Studium auf Zypern, in Athen und Boston wurde er 1948 Bischof von Larnaca und bereits zwei Jahre später Erzbischof der Zypriotisch-Orthodoxen Kirche. Mehr als nur ein Kirchenfürst, sondern in der Tradition der Inselkirche gleichzeitig nationaler Führer der griechischen Bevölkerung Zyperns, die vier Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen, während die Inseltürken nie über 20 Prozent kamen.

Nach einer bewegenden und abwechslungsreichen Geschichte war Zypern bereits im 16. Jahrhundert von den Türken erobert worden, 1878 aber wurde vereinbart, dass die Türkei zwar ihren Anspruch auf Zypern aufrechterhält, gleichzeitig aber einer britischen Verwaltung der Mittelmeerinsel zustimmt.

Im Ersten Weltkrieg brauchte keine Rücksicht mehr auf Istanbul zu nehmen: Es annektierte Zypern und machte es 1925 zur Kronkolonie. Was die Briten damals nicht ahnten: Sie handelten sich die wachsende Feindschaft der Inselgriechen ein, denn deren Ziel war seit langem "Enosis", der Anschluss an das griechische Mutterland. Und auch die türkische Minderheit war nicht sonderlich zufrieden, weil sie ihre zur türkischen Zeit privilegierte Stellung verloren hatte.

Oberflächlich ging es den Zyprioten beider Volkszugehörigkeit unter der britischen Herrschaft freilich gut. Und das hätte sich wohl auch nicht geändert, wenn es Erzbischof Makarios und seinem damaligen Freund, Georgios Grivas, nicht 1954 gelungen wäre, die bis dahin dieser Frage eher ablehnend gegenüberstehende griechische Regierung in Athen für die Idee der Enosis zu gewinnen. Militante Anhänger der Idee begannen unter dem Namen der "EOKA" einen Terrorkrieg auf Zypern; zuerst gegen Feinde aus den eigenen Reihen, dann gegen Türken und schließlich gegen Briten.

Obwohl Makarios es immer demonstrativ vorzog, mit den Briten zu verhandeln, argwöhnten diese - nicht zu Unrecht - dass er in Wirklichkeit der Haupt-Rädelsführer hinter der Terrorwelle war. Die Verbannung auf die Seychellen war die Antwort. Aber nicht die Lösung, der Kampf verschärfte sich erst noch.

1956 kam es zum Suez-Krieg und Großbritannien musste eine bittere Niederlage einstecken. Es konnte und wollte auch nicht weiter die Fiktion aufrechterhalten, dass Zypern gleich einem Flugzeugträger im östlichen Mittelmeer unbedingt unter britischer Herrschaft verbleiben müsse. Nur was tun? Vorschläge zu weitgehender Selbstverwaltung der beiden Bevölkerungsgruppen auf der Insel stießen bei beiden, vor allem aber bei den Griechen, auf Ablehnung.

Aber London war dennoch bereit, Makarios Anfang 1957 als Geste des guten Willens freizulassen - unter der Bedingung, dass er Zypern fernbleibe. Der streitbare Erzbischof schlug sein Quartier in Athen auf und war in den nächsten Monaten treibende Kraft hinter den Bemühungen um einen britischen Abzug.

Obwohl er weiter von Enosis sprach, begann er doch langsam seine Taktik zu ändern. Scheinbar in Erkenntnis, dass der Anschluss Zyperns an Griechenland die Probleme der Insel nur vergrößern würde, vielleicht aber auch in der Hoffnung, der Anschluss werde leichter zu verwirklichen sein, wenn die Briten erst einmal abgezogen wären. Im Februar 1959 stimmte Makarios der Unabhängigkeit Zyperns zu, und im Dezember wurde er zum ersten Präsidenten der Inselrepublik gewählt, die 1960 unabhängig wurde.

Frieden kehrte auf der Insel aber nicht ein: Griechische Fahnen wehten neben der zypriotischen und Makarios konnte keine Rede halten, in der nicht das Recht auf Enosis hervorgehoben wurde. Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen waren unvermeidlich und es kam zu heftigen Kämpfen auf der Insel. Nur mit Hilfe von UNO-Truppen und UNO-Polizei konnte relative Ruhe hergestellt werden.

Über den Kämpfen war eine komplizierte Verfassung gescheitert, die den Türken, obwohl Minderheit, weitgehende Mitsprache-Rechte einräumte, trotzdem waren ehemalige Weggefährten von Makarios mit der Zeit frustriert, dass dieser offenbar Gefallen daran gefunden hatte, Präsident einer wirtschaftlich starken Republik zu sein statt Zahlmeister eines armen Griechenland, das auch noch von Obristen beherrscht wurde.

Die Obristen in Verbindung mit zypriotischen Enosis-Anhängern zettelten denn auch 1974 einen Putsch gegen Makarios an. Der Erzbischof konnte fliehen, statt dessen stürzte das Obristen-Regime. Aber die Türkei, neben Großbritannien und Griechenland Garantiemacht für die Unabhängigkeit der Insel, setzte seine Truppen in Marsch und eroberte den Norden von Zypern.

Die Teilung der Insel ist seitdem ein Fakt und alle Versuche, eine Lösung zu finden, sind bisher gescheitert. Der einzige, der eine solche Lösung vielleicht hätte durchsetzen können, wäre Makarios selbst gewesen. "Enosis" hatte er längst zur "wünschenswerten, aber nicht realisierbaren" Lösung reduziert, aber am 3. August 1977 starb Erzbischof Makarios in Nicosia.

Autor: Peter Philipp
   
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