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3.4.1968: Frankfurter Kaufhausbrand
3. April 1968, Mitternacht. Kurz hintereinander wurden der Polizei zwei Brände in der Frankfurter Innenstadt gemeldet. Zuerst im dritten Stock des Kaufhauses Schneider, dann in der vierten Etage des Kaufhofs. Die Feuerwehr, die erst nach eineinhalb Stunden die Brände unter Kontrolle hatte, entdeckte vier selbst gebastelte Brandsätze aus je einer Plastikflasche mit brennbarer Flüssigkeit, einer Batterie und einem Wecker. Verletzt wurde niemand, aber es entstand ein Sachschaden von einer Million Euro.

Was dilettantisch begann, war die Initialzündung des Links-Terrorismus in Deutschland. Mit der Kaufhausbrandstiftung vollzog eine radikale Minderheit der protestierenden Studentenschaft den Schritt vom Protest zur Gewalt.

Wenige Tage später wurden die Täter gefasst: Beteiligt waren Andreas Baader, ein charismatischer Draufgänger aus München, und Gudrun Ensslin, eine Pfarrerstochter aus Württemberg. Ulrike Meinhof, die wenig später zur Gruppe stieß, legitimierte die Aktion damals in der Zeitschrift "konkret" wie folgt: "Diejenigen, die von politischen Machtpositionen aus die Brandstiftung verurteilen", schreibt sie, "nicht aber die Hetze des Hauses Springer, nicht Terror in Persien, nicht Folter in Südafrika, sie messen mit zweierlei Maß. Ihnen fehle beides," fährt sie fort: "Die politische und die moralische Legitimation, gegen den Widerspruchswillen der Studenten Einspruch zu erheben."

Der Prozess

Der Prozess gegen die Brandstifter fand unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit statt. Vor Gericht verteidigte sich Gudrun Ensslin mit den Worten: "Ich rede nicht von ein paar verbrannten Schaumstoffmatratzen, ich rede von verbrannten Kindern in Vietnam."

Gudrun Ensslin sagte: "Womit ich mich niemals abfinden werde, ist dass sich die Tendenz, in der sich die spätkapitalistische Gesellschaft so ungeheuer deutlich fortbewegt, nämlich hin zum Faschismus. Das kann man wirklich mit einem Auge sehen. Da braucht man gar nicht beide dazu, um zu sehen, was sich in Amerika abspielt. Und ich sehe nicht ein, warum man das, was man Jahrhunderte lang getan hat und als falsch erkannt hat, weiter tun sollte, nämlich so tun, als ob man nichts tun könnte, und ich werde mich niemals damit abfinden, dass man nichts tut. Ich hab den Richtern gesagt, 'ich weiß, warum sie sagen, man kann nichts tun, weil sie nichts tun können wollen, aber ich will etwas getan haben dagegen'."

"Die wollten mit diesem Kaufhausbrand sicher Parallelen herstellen zu den Brandbomben, die in Vietnam niedergingen, als Ausdruck des Protests. Das hat aber nicht die Situation verändert, sondern lediglich Menschen in Berührung gebracht, die sich sonst wahrscheinlich nie begegnet wären. Sprich: Ich bin mit Baader und Ensslin aufgrund dieser Geschichte in Kontakt gekommen. Ich hab nämlich Baader in diesem Prozess verteidigt", sagte ihr Verteidiger Horst Mahler, der nach dem Prozess in den Untergrund ging.

Anfänge der RAF

Die Bundesrepublik Ende der 1960er-Jahre: Die Studentenbewegung stellte das Land auf den Kopf. Protestiert wurde gegen den Mief aus tausend Jahren, gegen die Ungerechtigkeit in der Dritten Welt. Am 2. Juni 1967 war der Schah in Deutschland. Für die Studenten war der Staatsgast das Symbol für den blutigen Unterdrückerstaat schlechthin. Während einer Demonstration wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen. Ein knappes Jahr später dann das Attentat auf Rudi Dutschke. Diskussionen über einen bewaffneten Widerstand wurden geführt, das Konzept der Stadtguerilla wurde debattiert. Die meisten Studenten aber wollten davon nichts wissen. Aufgebracht waren sie trotzdem: Ziel ihrer Proteste wurde zunehmend der Vietnam-Krieg.

Baader und Ensslin wurden zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach 14 Monaten kamen sie vorübergehend auf freien Fuß. Sie tauchten ab, trafen ihren Verteidiger Horst Mahler und Ulrike Meinhof. Im April 1970 wurde Andreas Baader erneut gefasst. Fünf Wochen später, am 14. Mai 1970, wurde er während eines Aufenthaltes in der Gefängnisbibliothek gewaltsam befreit. Dabei wurde ein Justizbeamter lebensgefährlich verletzt.

Im Juni 1970 tauchte zum ersten Mal der Name Rote Armee Fraktion auf, in der Öffentlichkeit wurde die RAF auch als Baader-Meinhof-Gruppe bezeichnet. Der bewaffnete Kampf hatte begonnen, oder in der Diktion von Ulrike Meinhof: "Wir sind engagiert für diejenigen, die sich versuchen zu befreien von Terror und Gewalt, und wenn nun kein anderes Mittel als das des Krieges übrig bleibt, dann sind wir für diesen Krieg."


Autor: Ramón García-Ziemsen
   
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