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4.9.1970: Allende gewählt |
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Allende: "In diesem entscheidenden Moment, dem letzten, in dem ich mich an Sie wenden kann, mögen Sie die Lehren beherzigen. Das Auslandskapital, der Imperialismus, vereint mit der Reaktion, schufen das Klima, damit die Streitkräfte mit ihrer Tradition brachen (...). Sie wurden Opfer des gleichen sozialen Sektors, der heute darauf lauert, mit fremder Hilfe die Macht zurückzuerobern, um so seinen Besitz und seine Privilegien zu verteidigen."
Während die Jagdbomber der chilenischen Luftwaffe am Morgen des 11. Septembers 1973 den Präsidentenpalast im Herzen Santiagos in Brand schossen, richtete sich Salvador Allende mit diesen Worten in einer Radioansprache zum letzten Mal an die Öffentlichkeit. Nach drei Jahren und einer Woche hatte das Militär dem chilenischen Weg zum Sozialismus ein brutales und blutiges Ende gesetzt.
Am 4. September 1970 hatte der Sozialist und Arzt Salvador Allende mit einer relativen Mehrheit von 36,2 Prozent der Stimmen die Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. Zum ersten Mal in der westlichen Welt ging ein sozialistisches Staatsoberhaupt aus demokratischen Wahlen hervor. Bereits in seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg, am 5. September in Santiago, legt er die Ziele seiner Politik offen dar: "Wir haben gesiegt, um endgültig die imperialistische Ausbeutung zu beseitigen, die Monopole abzuschaffen, eine wirkliche und tiefgreifende Agrarreform durchzuführen, den Import und den Export zu kontrollieren und schließlich und endlich, um die Banken zu nationalisieren. Auf diese Pfeiler gestützt wird der Fortschritt Chiles ermöglicht, wird das Volksvermögen geschaffen, mit dem wir unsere Entwicklung vorantreiben wollen."
Allende fand ein Land vor, in dem über 45 Prozent des industriellen Kapitals in ausländischen Händen lag. Der Kupferbergbau war uneingeschränkte Domäne der USA. 80 Prozent der Ackerfläche gehörte Großgrundbesitzern, Chile hatte 1970 mit 4,125 Milliarden Dollar die zweithöchste Staatsverschuldung weltweit.
Nach Allendes Wahlsieg 1970 hat sich die Volksfrontregierung in großer Eile an die Umsetzung ihrer Reformvorhaben gemacht: Verstaatlichung der Banken und Großunternehmen sowie 1972 der Kupferminen. Die wirtschaftlichen und sozialen Reformen greifen zunächst schnell, und die Erfolge lassen nicht lange auf sich warten. Laut UN-Wirtschaftskommission verzeichnet Chile 1971 mit 8,5 Prozent Wirtschaftswachstum das zweitbeste Ergebnis von allen 23 lateinamerikanischen Ländern.
Aber Anfang 1972 kam der Wendepunkt: Das in- und ausländischen Kapital floh aus Chile, das Wirtschaftswachstum brach ein, die Agrarproduktion ging dramatisch zurück. Lebensmittelknappheit war die Folge, verschärft durch die Hamsterkäufe von Firmen und Privatpersonen sowie durch den nachgewiesenermaßen von der CIA finanzierten LKW-Fahrerstreik, der das 4200 Kilometer lange Land lahm legte.
Für die US-Administration war das zweite sozialistische Experiment in Lateinamerika nach Kuba nicht tolerierbar. Die CIA hat allein 1972 ein Millionen Dollar in die Ausbildung chilenischer Offiziere investiert. Da ein Bürgerkriegsszenario als Interventionsgrund für das Militär sich nicht abzeichnete, wurde der Putsch vorbereitet.
Ein erster Putschversuch Ende Juni 1973 konnte noch niedergeschlagen werden, doch am 11. September waren alle der Waffengattungen und die uniformierte Polizei, Carabieneeros gemeinsam an dem blutigen Staatsstreich beteiligt, der von der Rechten und auch den Christdemokraten gebilligt wurde. Letztere ginge davon aus, das Militär nach einigen Monaten die Macht wieder an die zivilen Instanzen zurückgeben würden.
17 Jahre hat die Militärdiktatur in Chile ihre Terrorherrschaft aufrechterhalten können. Mit Ricardo Lagos, dem dritten demokratisch gewählten Präsidenten seit 1990, ist wieder ein Sozialist an der Macht. An ihn sind hohe Erwartungen gestellt in Sachen Aufklärung der Menschenrechtsverbrechen. Denn noch hat sich die letzte Vision Allendes, bevor er sich am 11. September 1973 im Präsidentenpalast La Moneda das Leben nahm, nicht ganz erfüllt.
Allende: "Ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht umsonst sein wird. Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die die Feigheit und den Verrat strafen wird."
Autorin: Mirjam Gehrke |
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