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5.1.1968: Dubcek erster Sekretär des ZK
Kein Kommunist Osteuropas ist so schnell so populär wie Alexander Dubcek. Am 5. Januar 1968 ernennt ihn das Zentralkomitee der Kommunisten in der Tschechoslowakei zum neuen Parteichef. Schon wenige Wochen später wird er umjubelt - ohne dass seine Partei ihre Mitglieder dazu abkommandieren muss.

Dubcek hat die Zensur abgeschafft und die Macht der Stasi beschnitten. Es wird Frühling in Prag. Der Historiker Michal Reiman erinnerte sich: "Auf einmal konnte man sich frei äußern, man konnte frei reisen, man konnte alles lesen, was man wollte. Das war schon ein Erlebnis, das ziemlich stark wirkte."

Rebellion in Prag

Dubcek will sein Land demokratisieren. Mit seinem Vorgänger Anton Novotny war die Bevölkerung unzufrieden. Bereits im Juni 1967 rebellierten in Prag Schriftsteller offen gegen den damaligen Parteivorsitzenden und Präsidenten. Novotnys Kader versuchten die Schriftsteller auf Linie zu bringen - vergebens. Michael Reiman sagte: "Zuerst las man auf diesem Schriftstellerkongress einen Brief von Solschenizyn, der gegen die Zustände und gegen die Zensur gerichtet war."

Und dann distanzierten sich die Schriftsteller von der offiziellen Haltung im Israelisch-Arabischen-Krieg. Parteisekretär Jiri Hendrych war so wütend, dass er sich sein Jackett von der Stuhllehne schnappte und schimpfend den Kongress verließ.

Die Kommunistische Partei hatte unter Novotny die Entstalinisierung viel zu spät eingeleitet. Jetzt lief sie ihr aus dem Ruder. Nicht nur Künstler, auch Historiker setzten sich kritisch mit der Tschechoslowakei und ihrer stalinistischen Vergangenheit auseinander. Einer von ihnen war Michal Reiman.: "Die Parteiführung hatte keine Kräfte mehr das zu bändigen. Das war zu breit. Die Machtapparate und selbst das ZK machte nicht mehr mit."

Neuer Kopf für den Parteivorsitz

Das Zentralkomitee des Parteivorsitzenden Anton Novotny war gespalten. Da waren einmal diejenigen, die dem Drängen der Intellektuellen nachgeben wollten und mehr Demokratie forderten. Auf der anderen Seite standen die alten Kommunisten. Einig waren sich beide nur in einem Punkt: Mit dem alten Novotny ist der Konflikt nicht zu lösen. Der konnte sich noch nicht mal mehr auf die alten Freunde verlassen.

Michael Reiman weiß: "Novotny versuchte die Unterstützung in Moskau zu holen. Das fiel irgendwie sehr undeutlich aus, weil die Lage war sehr verzwickt. Man versuchte zwar, Novotny zu retten, aber sehr halbherzig."

Nach langem Hin und Her wählen beide Seiten am 6. Januar 1968 den Slowaken Alexander Dubcek zum neuen Ersten Parteisekretär. "Beide Seiten im ZK glaubten, man kann ihn beeinflussen so einfach, das ist eine Figur, die man irgendwie manipulieren kann", so Michael Reiman.

Dubcek enttäuscht seine Anhänger

Doch Dubcek erweist sich schnell als durchsetzungsfähiger Reformer - bis acht Monate später die Truppen des Warschauer Paktes einmarschieren und den Prager Frühling beenden. Dubcek bleibt vorerst im Amt. Ein Jahr nachdem die Panzer gekommen sind, jubeln Tschechen und Slowaken Dubcek wieder zu.

Doch diesmal lässt der Politiker sie im Stich, weiß Michael Reiman: "Und man unterdrückte diese Demonstration mit Gewalt und Dubcek unterschrieb als Vorsitzender des Parlaments das Anti-Dubcek-Gesetz. Das war irgendwie nicht durchdacht, das war eine Schwäche einfach."

Ob es nun unter dem Druck der Sowjetunion geschah oder aus Machtgier, viele Tschechen haben ihm das nie verziehen. Nach 1989 warfen sie ihm vor, ein Kommunist geblieben zu sein und nichts erreicht zu haben. Nur im westeuropäischen Ausland war Dubcek noch ein unumstrittener Held.


Autor: Ralf Geißler
   
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