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22.1.1980: Sacharow verbannt |
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"Natürlich bin ich sehr bewegt, sehr aufgeregt. Dieser Schritt ist möglich geworden durch einen grandiosen internationalen Schutz. Die ganzen Jahre über hat man mich verteidigt: meine Kollegen Wissenschaftler, Politiker und einfach Freunde, meine Kinder und nicht zuletzt meine Frau." Das waren die ersten Worte des aus der Verbannung zurückgekehrten Physikers und Friedensnobelpreisträgers Andrej Dmitrijewitsch Sacharow auf dem Jaroslawer Bahnhof in Moskau. Mehr als 100 Journalisten und Kameraleute waren gekommen, um den wohl bekanntesten sowjetischen Dissidenten zu begrüßen, der fast sieben Jahre in der Verbannung in Gorki - dem heutigen Nishnij Nowgorod - verbringen musste.
Sacharow stieg sichtlich müde, unrasiert, mit einer Fellmütze auf dem Kopf aus dem Zug. Seine Freilassung verdankte er dem damaligen Parteichef der KPdSU, Michail Gorbatschow. Dieser hatte ihn kurz vorher persönlich angerufen und ihm seine Entscheidung mitgeteilt. Gorbatschow machte der Welt klar, dass er eine andere Politik verfolgen wollte als seine Vorgänger.
Die Verbannung
Diese hatten Sacharow am 22. Januar 1980 nach Gorki verbannt. Diese Stadt, die 400 Kilometer östlich von Moskau liegt, durften Ausländer nicht betreten. Bei der Festnahme von Sacharow erklärte ihm der Staatsanwalt, dass er verbannt würde, damit er nicht mehr mit ausländischen Korrespondenten Kontakt pflegen könne. Sacharows Name sollte aus den Schlagzeilen der Weltpresse verschwinden.
Ihn - wie so viele andere Dissidenten - einfach ins Gefängnis werfen oder umbringen konnten die KP-Führer nicht, dafür war Sacharow zu bekannt. Die Rechnung des KGB, der die Verbannung organisierte und überwachte, ging jedoch nicht auf. Immer wieder forderten Politiker im Westen und Intellektuelle überall auf der Welt die Freilassung Sacharows.
Einer davon war der Germanist und Dissident Lew Kopelew. Kopelew zitierte Sacharow, wie dieser sich im Telefonat mit Gorbatschow für die Freilassung anderer politischer Häftlinge einsetzte: "Ich bitte Sie, ich flehe Sie an, diese Frage wieder aufzugreifen. Das ist absolut notwendig für die Menschen, für die Gerechtigkeit, für das Schicksal unseres Landes, für die Glaubwürdigkeit unseres Landes."
Eine Ikone der Zivilcourage
Kaum hatte Sacharow erfahren, dass er nach Moskau zurück darf, schon setzte er sich gegenüber Gorbatschow für die Freilassung anderer politischer Gefangener ein. Sacharow hatte sich nicht verändert, dafür aber die Welt des Kommunismus, die nach und nach ins Wanken geriet. Sacharow wurde wenige Jahre nach seiner Freilassung Volksdeputierter und stritt im Parlament mit Gorbatschow über die Führungsrolle der Kommunistischen Partei.
Sacharow war bereits zu Lebzeiten eine Ikone der Zivilcourage, das Gewissen Russlands, das nicht verstummen wollte. Mutig kämpfte er mit offenen Briefen, mit Hungerstreiks, mit Pressekonferenzen für Gerechtigkeit und Demokratie. Er protestierte gegen die Zwangsbehandlung von politischen Häftlingen in psychiatrischen Kliniken. Er erhob seine Stimme gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan.
Das Gewissen Russlands
Bereits 1968, unmittelbar bevor die Warschauer-Pakt-Truppen den sogenannten Prager Frühling niederschlugen, veröffentlichte Sacharow seine "Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit". Bald darauf verlor er seine Stelle als Physiker. Die sowjetischen Behörden ließen ihn, der einst an einem streng geheimen Atomprogramm mitgearbeitet hatte, nicht in den Westen ausreisen.
Obwohl er nie Mitglied der KPdSU war, verlieh ihm die Partei in den 1950er- und 1960er-Jahren hohe Orden, gewährte ihm zahlreiche Privilegien. Doch Sacharow war nicht bestechlich. Er wehrte sich gegen die nukleare Kriegstechnik, engagierte sich für den Umweltschutz. Am Ende ging er in die Geschichtsbücher ein als Symbolfigur gegen die Willkür eines Unrechtsstaates, als ein aufrechter Streiter für die Achtung der Menschenwürde. Am 14. Dezember 1989 starb Sacharow mit 68 Jahren an Herzversagen.
Autor: Miodrag Soric |
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