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1.4.1991: Treuhandchef Rohwedder ermordet
Ostermontag 1991 in Düsseldorf, eine halbe Stunde vor Mitternacht. Detlev Karsten Rohwedder, Präsident der Treuhand-Anstalt, war zu Hause in seiner Villa am Rheinufer. Er saß im ersten Stock im Schlafanzug an seinem Schreibtisch und arbeitete. Als er aufstand, traf den 58-Jährigen eine Kugel in den Rücken, abgefeuert aus etwa 60 Metern Entfernung.

Der oder die Attentäter feuerten zwei weitere Schüsse ab, einer davon traf Rohwedders ins Zimmer gestürzte Frau am Arm. Doch sie schaffte es, die Polizei zu alarmieren. Der dritte Schuss schlug in ein Bücherregal ein. Der mächtigste Industriekapitän der Wendezeit und Herr über 8.000 ehemalige DDR-Betriebe ist tot. Am Tatort fand die Polizei drei Patronenhülsen sowie ein Bekennerschreiben der RAF:

"Gegen den Sprung der imperialistischen Bestie - unser Sprung im Aufbau revolutionärer Gegenmacht. Die Bedingungen für menschenwürdiges und selbst bestimmtes Leben im Kampf gegen die reaktionären großdeutschen und westeuropäischen Pläne zur Unterwerfung und Ausbeutung der Menschen hier (...)". Unterzeichnet ist das Schreiben mit "Kommando Ulrich Wesel".

Die Treuhand: Keine einfache Aufgabe

Am darauf folgenden Tag in Berlin auf der Pressekonferenz der Treuhand sprach Birgit Breuel, damals die Stellvertreterin Rohwedders: "Sie sehen alle Mitarbeiter der Treuhand zutiefst erschüttert über das, was heute Nacht geschehen ist. Herr Rohwedder war einer der ersten Unternehmer, der sich vollen Herzens engagiert hat für die Fragen der deutschen Einheit, der unsere gemeinsame Arbeit in den letzten Monaten ganz entschieden geprägt hat."

Rohwedder, so Breuel, habe bei der Privatisierung und Sanierung oder Stilllegung der DDR-eigenen Betriebe großes soziales Engagement gezeigt. Doch der Chef-Sanierer der DDR-Industrie zählte zu den meistgefährdeten Personen Deutschlands. Auf ihn konzentrierte sich die Wut über den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, und er musste einiges an Kritik einstecken, beispielsweise vier Wochen vor seiner Ermordung auf einem Treffen mit hunderten Betriebsräten Treuhandverwalteter Betriebe in der Berliner Kongresshalle.

Rohwedder sagte auf dem Treffen: "Die Treuhand-Anstalt ihrerseits ist hilflos gegenüber diesem Tornado an Kritik und der Vielzahl von Vorwürfen, die überwiegend berechtigt waren. Es wird mit dieser Institution verbunden alles das, was wir hier in der früheren DDR sehen an Not, an Aussichtslosigkeit, an Verbitterung und auch an existenzieller Bedrohung der einzelnen Mitarbeiter."

Würdigung

Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker würdigte Rohwedders Leben und Werk: "Kaum einer sah von Beginn an die Schwierigkeiten so deutlich wie Rohwedder. Ihm war das gewaltige Ausmaß der notwendigen Umstellungen mit ihrem Zeitbedarf und ihren tief einschneidenden sozialen Wirkungen vollkommen bewusst. Umso kraftvoller bemühte er sich darum, die Menschen materiell und seelisch nicht unter die Räder kommen zu lassen."

Auf der Trauerfeier wurde an eine gesamtdeutsche Solidarität appelliert, denn die Mörder hätten auch die Deutsche Einheit im Visier gehabt. Detlev Karsten Rohwedder, selbst gebürtiger Thüringer, formulierte seine Motive, bei der Treuhand zu arbeiten, einige Tage vor seinem Tod so: "Denn wer kümmert sich denn mit soviel Engagement und Fürsorge und auch Liebe um die Geschichte hier? Ein Ministerium tut das doch nicht."

Offene Fragen bleiben

Inzwischen ist die DDR-Wirtschaft längst abgewickelt und auch die "Rote Armee Fraktion" hat sich 1998 aufgelöst - aber Rohwedders Mörder sind noch immer unentdeckt, genauso wie die Tatwaffe - obwohl die Ermittler mehr als 1.000 Spuren verfolgt haben.

Die Sonderkommission "Treuhand" wurde aufgelöst, und die Fahnder warten auf einen späten Zufallstreffer, doch der wird immer unwahrscheinlicher. Denn das letzte Attentat der RAF hinterließ die wenigsten Spuren: Es waren ein Plastikstuhl, ein Feldstecher, drei Patronenhülsen, ein Handtuch und der Bekennerbrief.


Autorin: Sabine Ochaba
   
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