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11.5.1959: Außenministerkonferenz Genf
Der Kontrast hätte größer kaum sein können, als sich am 11. Mai 1959 in Genf die Außenminister der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges zu einer Konferenz trafen, die fast drei Monate dauern sollte. An einem der schönsten Plätze Europas, in der idyllischen und ruhigen Stadt am Genfer See, sollte eine der größten Krisen des Kalten Krieges verhandelt werden. Der Anlass der Konferenz war der Status Berlins, die Zukunft Deutschlands.

"Völker dieser Welt, schaut auf diese Stadt!" Es war gerade zehn Jahre her, dass der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Ernst Reuter, diese verzweifelten Worte an die Welt richtete. Die erste Berlin-Krise war durch den Einsatz der Westmächte noch einmal glimpflich verlaufen, die Russen hatten ihre Blockade Westberlins aufgegeben.

Doch am 10. November 1958 hielt der Generalsekretär der KPdSU, Nikita Chruschtschow, im Moskauer Sportpalast eine Rede, die es in sich hatte. Wieder drohte er Berlin, die Stadt sollte vereinigt, entmilitarisiert und zur freien Stadt erklärt werden. Dies müsse innerhalb von sechs Monaten geschehen, sonst würde man, so spezifizierte er kurz darauf, die DDR in die Souveränität entlassen: "(...) dass heißt, dass sie ihre Souveränität zu Lande, zu Wasser und in der Luft ausüben muss! Gleichzeitig werden alle bisherigen Kontakte zwischen den Vertretern der Streitkräfte und anderen offiziellen Personen der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Fragen, die Berlin betreffen, aufhören!"

Zehn Jahre nach Ernst Reuter hieß der Berliner Regierende Bürgermeister Willy Brandt. Auf das sogenannte "November-Ultimatum" Chruschtschows reagierte er wie folgt: "Es gibt keine isolierte Lösung der Berliner Frage. Wenn ein Beitrag zur Entspannung und zur Wiedervereinigung Deutschlands geleistet werden soll, wie es in der sowjetischen Note unter anderem heißt, dann handelt es sich hier und jetzt nicht um die Berliner Frage, sondern um die Überwindung der Spaltung Deutschlands. Darüber muss verhandelt werden und nicht über die Änderung des Status quo von Berlin."

Die Siegermächte einigten sich darauf, noch vor dem Ablauf des Ultimatums eine Konferenz einzuberufen, die die deutsche Frage klären sollte. Den Deutschen aus Ost und West wurde erstmals, dies ein Zugeständnis Moskaus, die Rolle von Beobachtern zugewiesen. Am 11. Mai zogen die Außenminister Gromyko, Lloyd, de Murville und Herter in den Genfer Palast der Nationen.

Der US-amerikanische Außenminister hatte einen Plan mitgebracht, der auch seinen Namen trug. Dieser Herter-Plan war die erste konstruktive Antwort des Westens auf das Chruschtschow-Ultimatum. Er sah einen Vier-Stufen-Plan zur deutschen Wiedervereinigung vor: Wiedervereinigung Berlins unter Vier-Mächte-Status, gesamtdeutscher Ausschuss, freie Wahlen zu einer gesamtdeutschen Verfassung und schließlich viertens eine Friedensregelung, aber nur mit einem vereinigten Deutschland.

Auf der anderen Seite kritisierte Andrej Gromyko zunächst, dass die Friedensverhandlungen so weit nach hinten geschoben waren. Vor allem aber störte sich Moskau am ersten Punkt. Ziel des November-Ultimatums und der russischen Interessen überhaupt war ja die Aufhebung des Vier-Mächte-Status für Berlin, und die Ausdehnung der gemeinsamen Kontrolle nun auf ganz Berlin war mit ihnen überhaupt nicht zu machen.

Am 20. Juni beschloss die Konferenz, sich um drei Wochen zu vertagen, damit sich beide Seite beraten und Wege zu Kompromissen finden könnten. Dass es mit der Kompromissbereitschaft nicht in jedem Fall weit her war, bewies Chruschtschow schon drei Tage später. In Moskau sagte er dem westlichen Emissär Averell Harriman: "Seien Sie überzeugt, dass ich der Wiedervereinigung Deutschlands nicht zustimmen werde, falls nicht ein sozialistisches System für Deutschland vorgesehen wird."

In der Folge lehnte Herter alle bisherigen russischen Angebote ab und schlug vor, ein deutsches Arbeitspapier als Konferenz-Beschluss zu akzeptieren. Dieser Vorschlag sah vor, die Genfer Konferenz als permanentes Gremium zu installieren, um durch fortgesetzte Verhandlungen zu einer Lösung der Deutschland-Frage zu kommen. Als nun Gromyko diesen letzten Vorschlag ablehnte, war die Konferenz geplatzt. Am 5. August trennten sich die Siegermächte ergebnislos.

Zwar hatte die Sowjetunion das Moskauer November-Ultimatum verstreichen lassen, doch hatte Moskau damit noch keineswegs klein beigegeben, wie sich nur drei Jahre später zeigen sollte. Walter Ulbricht: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!"

Tat dies aber doch und zementierte die deutsche Teilung. Die gescheiterte Außenministerkonferenz vom 11. Mai 1959 in Genf war der letzte Versuch der ehemals alliierten Siegermächte, auf diesem Weg den Kalten Krieg zu beenden.

Erst mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und dem Fall der Berliner Mauer 30 Jahre später verhandelten die Vereinigten Staaten, England, Frankreich und Russland wieder um die Zukunft Deutschlands. Und bei diesen sogenannten "4+2-Gesprächen", also mit den Vertretern der Bundesrepublik und der DDR, wurde die deutsche Teilung aufgehoben und die Nachkriegszeit in Europa endgültig beendet.

Autor: Dirk Kaufmann
   
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