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14.7.1958: Putsch in Bagdad
Das Ende der irakischen Monarchie wird vorzeitig gemeldet: Um 6.30 Uhr verkündet Oberst Abdel Salam Aref am 14. Juli 1958 über Radio Bagdad, die Monarchie sei tot und die Republik geboren. Eine Stunde später wird diese Erklärung wahr: Nach kurzem Schusswechsel sind die Rebellen in den Rihab-Palast vorgedrungen, in dem der jugendliche König Faisal und andere Mitglieder der königlichen Familie sich aufhalten, besonders Kronprinz Abdullah, der als "graue Eminenz" der Monarchie gilt.

Der Widerstand erlahmt, und die königliche Familie folgt dem Aufruf der Eindringlinge, sich im Hof zu versammeln. Sie hoffen, sich mit solcher Gefügigkeit freies Geleit ins Ausland erkaufen zu können. Plötzlich eine Salve von Maschinengewehr-Feuer und die Versammelten brechen tot zusammen. Einzige Überlebende ist Prinzessin Hiyam: Sie ist zurück in den Palast gegangen, wird später von den Rebellen verschont und darf nach Saudi-Arabien ausreisen.

Kurz vor dem Blutbad im Rihab-Palast haben aufständische Truppen die Villa von Ministerpräsident Nuri a-Said am Tigris angegriffen, der Politiker kann über den Fluss entkommen und taucht in den Gassen Bagdads unter. Erst am nächsten Tag wird er - in Frauenkleidung getarnt - auf offener Straße erkannt. Er will offensichtlich in Richtung Iran fliehen. Dazu kommt es nicht: Ein aufgebrachter Mob bringt ihn auf offener Strasse um.

Mit der Ermordung der königlichen Familie und des verhassten Regierungschefs haben die "Freien Offiziere" ihr Ziel erreicht: Der Irak soll von fremdem Einfluss befreit werden, zuallererst von dessen örtlichen Vasallen. Als großes Vorbild gilt ihnen die ägyptische Revolution, bei der vier Jahre zuvor ebenfalls "Freie Offiziere" unter der Führung von Gamal Abdel Nasser den König gestürzt und die Macht an sich gerissen haben.

Wie in Ägypten geht es den irakischen Putschisten darum, den Einfluss Großbritanniens zu brechen und die Korruption zu beenden, die die Armut im Land rascher wachsen lässt als man angesichts der Erdölvorkommen des Irak für möglich halten könnte. So liegen 1958 rund 67 Prozent des Landes in den Händen einiger weniger Großgrundbesitzer, während Kleinbauern sich knapp 15 Prozent teilen müssen. Und immer mehr wird für die Iraker zur Gewissheit, dass die britischen Erdölkonzerne das Land übervorteilen und ausbeuten.

Ähnlich wie in Ägypten haben diese "Freien Offiziere" sich bereits lange vor dem Putsch formiert und wichtige Positionen im Land übernommen, ohne dass das Königshaus oder der sonst eigentlich eher misstrauische Ministerpräsident Nuri etwas bemerkt hätten. Nuri setzt sich als Verbündeter der Briten zudem immer mehr in Gegensatz zu den Ambitionen der Massen: Der Regierungschef ist eine der treibenden Kräfte hinter dem "Bagdad-Pakt", mit dem Briten und Amerikaner die Arabische Welt gegen sowjetische Ambitionen in der Region zu organisieren versuchen, wenn auch nur mit mäßigem Erfolg.

In Kairo hat Präsident Nasser demgegenüber Verträge mit Moskau geschlossen, die ihm nicht nur massive Rüstungslieferungen zusichern, sondern auch die Verwirklichung seines Lieblingsprojektes - den Bau des Assuan-Staudammes. Dieser soll zunächst vom Westen finanziert werden, die sowjetischen Waffenlieferungen ändern dies aber.

Und als es dann 1956 zum gemeinsamen Angriff von Briten, Franzosen und Israelis auf Ägypten kommt, da richtet sich die Stimmung fast in der gesamten arabischen Welt gegen diese Staaten - auch im Irak.

Dort herrscht der aus Saudi-Arabien stammende und erst 23-jährige Haschemiten-König Faisal II., ein Cousin des jordanischen Königs Hussein. Die Briten haben seine Familie an die Macht gebracht. Zwei Gründe, ihn als Fremdherrscher zu betrachten.

Und auch der "Bagdad-Pakt" steht gegen die Interessen der Massen: Er verbündet das Land mit der Türkei und dem Iran und setzt es in Widerspruch zu der von Ägypten ausgehenden panarabischen Bewegung.

Trotz vieler Parallelen mit Ägypten gibt es aber auch Unterschiede: So ist die Gruppe der irakischen "Freien Offiziere" nicht so groß und gut organisiert wie die unter Nasser es gewesen war. Der Mann an der Spitze ist Abdul Karim Kassem, ein Mann aus bescheidenden Verhältnissen, unterstützt von Abdel Salam Aref, der ihn später stürzen und ablösen soll. Dass der Putsch so reibungslos verläuft, dürfte vor allem an der erstaunlichen Arglosigkeit der Herrschenden liegen.

Als Folge des Putsches wird die Allianz mit Jordanien aufgekündigt, und der Irak verlässt den Bagdad-Pakt. Der Plan, sich einer Union mit Syrien und Ägypten anzuschließen, scheitert ebenso wie die Hoffnung, den Irak in eine freie Zukunft zu führen:

Kassem wird durch Aref gestürzt, dieser wiederum durch Ahmad Hasan Al-Bakr, und dieser wird schließlich von Saddam Hussein abgelöst - dem Mann, der nicht nur die Nachbarn des Irak mit Krieg überzogen hat, sondern auch der Bevölkerung selbst mehr Leid zugefügt hat als die internationalen Sanktionen gegen sein Regime es je tun können.

Autor: Peter Philipp
   
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